Feuerwehrrecht: Inanspruchnahme des Rettungsdienstes
Mit einer Neufassung des Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes (HBKG) durchgesetzt vom 23.08.2018 wurde unter anderem § 61 Abs. 3 HBKG um die Ziffer 4 erweitert und eine Kostentragungspflicht des Leistungserbringers im Rettungsdienst normiert.
Mit dieser Regelung wurde ein Kostentatbestand geschaffen, der es den Feuerwehren ermöglicht, die Kosten direkt gegenüber dem Rettungsdienst abzurechnen. Mit der Neufassung des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 HBKG ist nunmehr auch der Leistungserbringer im Rettungsdienst oder im Krankentransport kostenpflichtig, wenn dieser sich zur Erfüllung seines Rettungsdienstes- oder Krankentransportauftrages zur Unterstützung der Feuerwehr bedient.
Im Nachgang zu dieser Gesetzesänderung hat das Hessische Ministerium des Innern und für Sport einen Erlass vom 28.09.2018 in Bezug auf die Abrechenbarkeit dieser Einsätze erlassen. Hierbei wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass bei einer Rettung aus akuter Lebensgefahr im Sinne des § 61 Abs. 6 HBKG eine Kostenfreiheit besteht. Dabei wurde zur Feststellung einer Rettung aus akuter Lebensgefahr auf den Indikationskatalog der Bundesärztekammer abgestellt.
Aus unserer Beratungspraxis ist uns bekannt, dass in Bezug auf die Inanspruchnahme der Feuerwehr durch den Rettungsdienst bzw. Krankentransport es wiederholt zur Streitigkeiten über die Abrechnung und Kostenpflichtigkeit dieser Einsätze auf Grundlage des § 61 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 HBKG kommt. Von Seiten der Leistungserbringer im Rettungsdienst wird sich insbesondere auf den Erlass des Hessischen Innenministeriums und den Indikationskatalog der Notärzte berufen.
Die Frage der Kostenpflichtigkeit ist mittlerweile beim VG Gießen anhängig gewesen. Mit Urt. v. 20.04.2022 (Az.: 2 K 1091/19.GI) hat sich das VG ausführlich mit der Systematik des § 61 Abs. 3 HBKG auseinandergesetzt und dabei sowohl die Frage der Kostenpflichtigkeit für die Leistungserbringer im Rettungsdienst als auch die Frage der Rettung aus akuter Lebensgefahr erörtert. Thematisiert wurde dabei insbesondere auch in wie weit ein Erlass des Hessischen Innenministeriums bzw. der Indikationskatalog der Bundesärzte Wirkung für die Abrechnung von Feuerwehreinsätzen vor Ort haben kann.
Grundsätzlich kommt eine Inanspruchnahme des Leistungserbringers im Rettungsdienst oder beim Krankentransport gem. § 61 Abs. 3 Nr. 4 HBKG in Betracht, wenn dieser sich zur Erfüllung seines Rettungsdienstes- oder Krankentransportauftrages zur Unterstützung der Feuerwehr bedient. Der Tatbestand der Rettung aus akuter Lebensgefahr im Sinne des § 61 Abs. 6 HBGK ist dabei aufgrund des Ausnahmecharakters eng auszulegen und erfordert, dass die Gefahr für das Leben unmittelbar drohen und im Augenblick herrschend sein muss. Der Eintritt des Todes muss mit nahezu an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu befürchten sein. Hierbei ist auf den Zeitpunkt des behördlichen Handelns (ex ante-Betrachtung) abzustellen.
Des Weiteren führt das VG Gießen aus, dass die Beurteilung der akuten Lebensgefahr sich nicht nach dem Erlass des Hessischen Innenministeriums vom 28.08.2018 in Bezug auf die Auslegung des § 61 Abs. 3 Nr. 4 HBKG und auch nicht nach dem Indikationskatalog der Bundesärztekammer für den Notarzteinsatz beurteilt. Insofern kommt es auf die konkrete Lage vor Ort an.
Im Rahmen der Auswahl der kostenpflichtigen Person ist die Gemeinde allerdings gehalten, ihr Auswahlermessen auszuüben. Wird ein Einsatz der Feuerwehr durch die Verletzung einer Person ausgelöst, muss die Gemeinde ihr Ermessen zumindest dahingehend ausüben, ob sie den Leistungserbringer im Rettungsdienst, die verletzte Person oder deren Krankenversicherung in Anspruch nimmt. Die gesetzgeberische Entscheidung, durch § 61 Abs. 3 Nr. 4 HBKG die Inanspruchnahme des Leistungserbringers im Rettungsdienst zu ermöglichen, macht eine Ermessensausübung hinsichtlich des richtigen Kostenschuldners nicht entbehrlich.
Wir werden die Entscheidung in einer der nächsten Ausgaben der Hessischen Städte- und Gemeindezeitung veröffentlichen.
Nachdem der Hessische Städte- und Gemeindebund dieses Urteil dem Innenministerium zur Verfügung gestellt hat, hat dieses mit Erlass vom 10.08.2022 seinen o.g. Erlass vom 28.09.2018 aufgehoben und nunmehr eine neue Interpretation- und Auslegungshilfe in Bezug auf die Inanspruchnahme gem. § 61 Abs.3 Nr. 4 HBKG erlassen. In diesem werden die Grundsätze des Urteils des VG Gießen in Bezug auf die Beurteilung der Rettung aus akuter Lebensgefahr mit aufgenommen. Der Erlass ist anliegend zur Kenntnis beigefügt.