aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Griesheim – Stadt in Bewegung

griesheim
Eine Sitzbank für Begegnungen oder für eine kurze Rast

Die Stadt Griesheim mit ihren über 28.000 Einwohnern ist die größte Stadt im Landkreis Darmstadt-Dieburg und grenzt im Osten an die Wissenschaftsstadt Darmstadt. Für regionale und sogar bundesweite Beachtung haben in der südhessischen Stadt Projekte in der Stadtgestaltung gesorgt. Die „bespielbare Stadt“ und die „besitzbare Stadt“ sind zu einem Markenzeichen für Griesheim geworden.

Begonnen hatten die innovativen Ideen im Stadtraum mit dem Forschungsprojekt „Spielraum für Spielräume“. Prof. Bernhard Meyer arbeitete bis 2011 an der Ev. Hochschule in Darmstadt im Fachbereich Sozialarbeit/ Sozial-pädagogik. Der Hochschullehrer lebt in Griesheim und engagierte sich für einen Perspektivwechsel in der Gestaltung öffentlicher Räume.

Eine Stadt in Bewegung - Um Griesheim kindgerechter zu machen, gingen Kinder mit Prof. Meyer ihre Wege zur Schule, zum Sportplatz oder zum Musikunterricht ab. Sie markierten mit Kreide ihren Schulweg. In einer Fragebogenaktion wurde sichtbar, welche anderen Orte für Kinder noch wichtig sind (wie zum Beispiel der Sportplatz und der Einkaufsmarkt) und wie sie dorthin kommen. Wege über Straßen wurden durch den „Kleinen Griesheimer“ gekennzeichnet, eine Erfindung des Professors: Viereckige Bodenplatten mit einer gelben Spielfigur geben zwar keine Vorrechte im Straßenverkehr, aber sind Hinweise darauf, wo Kinder am günstigsten die Straße überqueren können.

Am Ende konnten alle in einer Stadtkarte sehen, wie das Kinderwegenetz aussieht. Diese aktive „Besitznahme“ ihrer Stadt wurde nicht nur wissenschaftlich begleitet, sondern hatte Folgen: Die bespielbare Stadt. „Wenn auf dem Weg Spielgeräte wären, dann würde das viel mehr Spaß machen. Man könnte einfach mal Pause machen“, sagte ein Kind. Und die Wünsche der jungen Griesheimer wurden realisiert: Nach Prüfung durch die Stadt wurden 101 Flächen in reinen Wohnvierteln sowie an Hauptverkehrsstraßen ausgewiesen, wo gespielt werden kann. Hier wurden mitten auf den Gehwegen vielfältige Objekte installiert: Klettergerüste, Balancierbalken, Drehscheiben, Kugeln zum Bockhüpfen, Hüpfkästchen, ein Surfbrett zum Schaukeln, Stangen zum Dranhängen, ein Kaleidoskop, eine Sandbildscheibe sowie Baumstämme und Findlinge laden zum Spielen ein. Die Stadt wurde kartiert mit 25 Kinderspielplätzen und über 100 Spielobjekten in den Wohnvierteln der Stadt.

Der Erfolg der Aktion macht deutlich, dass normalerweise die Erwachsenen mit ihren Bedürfnissen das Bild ihres Ortes prägen. In politischen Entscheidungsgremien bilden ihre Erfahrungen den Hintergrund bei der Stadtgestaltung und –entwicklung. Doch Erwachsene haben längst die Perspektiven der Kinder verloren und können sich nur schwer ein Leben als alter Mensch vorstellen. Die Fußgängerperspektive stellt andere Anforderungen an den öffentlichen Raum als die mobile Gesellschaft.

Dies war der Grundgedanke, nach der „bespielbaren Stadt“ mit einem Projekt die Wege und Treffpunkte älterer Menschen zu untersuchen. Professor Meyer wurde wieder aktiv. Schnell wurde klar, dass der Radius von älteren Menschen immer kleiner wird. Wer nicht mehr so beweglich ist, schnell müde wird und auch nicht mehr gut sieht oder hört, läuft nicht mehr gerne weit, bleibt lieber im Stadtteil oder vielleicht sogar zu Hause. Dann ist es wichtig, dass es in der Nähe Geschäfte gibt, in denen man das Wichtigste einkaufen kann, Arzt, Post und Orte, an denen man Bekannte treffen oder einfach nur verweilen kann. Die Griesheimer Seniorenclubs, Kirchengemeinden und Sportvereine haben gemeinsam mit der Stadt und der Evangelischen Hochschule Darmstadt den öffentlichen Raum der Stadt in dieser Hinsicht unter die Lupe genommen. Fußgänger wurden befragt und so die wichtigsten „Seniorenorte“ und „Seniorenwege“ ermittelt.

Um älteren Menschen den Aufenthalt im Freien zu erleichtern und damit auch ihre Beweglichkeit zu unterstützen, wurden in Griesheim 160 Sitz-Objekte installiert. Darunter waren Objekte zum Anlehnen für eine kurze Rast, um Kraft zu schöpfen, geeignete Sitze an Treffpunkten oder hohe Bänke mit Lehnen für das Verweilen und Schauen. Einige Sitzgelegenheiten wurden speziell für die Anforderungen älterer Menschen entwickelt. Durch die vielen Sitzgelegenheiten wurden Straßen, Wege, Plätze und Grünflächen damit besser nutzbar.

Für Griesheims Bürgermeisterin Gabriele Winter ist der partizipative Ansatz wichtig: Die Betroffenen sollen sich selbst mit ihren Bedürfnissen einbringen können, sie wissen am besten, auf welchen Wegen sie in der Stadt unterwegs sind, welche Orte ihnen wichtig sind und wo sie sich mit anderen treffen wollen. Und die Bürgerinnen und Bürger haben die Sitz-Objekte in ihrer Stadt inzwischen angenommen: Manche sind sehr häufig frequentiert, andere gilt es für die Menschen noch zu entdecken. Wichtig ist, dass die älteren Bürgerinnen und Bürger dabei ein Stück ihres Stadtraums wiedergewonnen haben.

Die Griesheimer Projekte sind erfolgreich im Bundeswettbewerb „Land der Ideen und Preisträger“ präsentiert worden, die „Besitzbare Stadt“ ist mit dem Hessischen Demografiepreis 2013 ausgezeichnet worden. Bleibt die Frage nach den Kosten. Für die Umsetzung des Projektes „Die besitzbare Stadt“ waren 51.000 Euro angesetzt. Mehr als die Hälfte der Summe, rund 30.000 Euro wurden durch Banken und Stiftungen finanziert, aus der Bevölkerung kamen zusätzlich 15.000 Euro als Spenden ein, die restlichen Kosten wurden durch die Stadt und die Evangelische Hochschule Darmstadt getragen. Festerlöse, Geld statt Geburtstagsgeschenke, Beiträge der Geschäftsleute - Wer Geld gibt, macht auch seine Identifikation mit seinem Wohnort deutlich und hat ein wachsames Auge auf seine Stadt mit ihren Treffpunkten. Und es kommen weiter Spenden an. Preisgelder wie der „Hessische Stiftungspreis 2013“ sind bei der Finanzierung des Projektes zunächst nicht berücksichtigt, sie werden aber für die Installation weiterer Sitzgelegenheiten verwendet. Bürgerbeteiligung drückt sich in Griesheim also auch finanziell erfolgreich aus.

Überhaupt Bürgerbeteiligung. Die Stadt Griesheim bietet ihren Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich aktiv zu weiteren kommunalen Planungsprozessen zu äußern, um ihre Ideen einzubeziehen. Fragen, der bürgerschaftliche Sachverstand, Erwartungen und Bewertungen werden aufgenommen und können so frühzeitig in die Planungsüberlegungen oder politischen Ent-scheidungsprozesse mit einfließen. Beispiele hierfür sind die städtebauliche Aufwertung der Innenstadt oder die energetische Sanierung eines Stadtquartiers. Hier möchte die Stadt Griesheim Bürgerinnen und Bürger bei der Auswahl und Umsetzung energetischer Sanierungsmaßnahmen unterstützen.

Aber auch kleinere Projekte wie die Gestaltung eine Freizeitfläche am Stadtrand für und mit jungen Leuten wurde nach Vorbild der besitzbaren Stadt ins Werk gesetzt. Die Stadt ist weiter in Bewegung.