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Verkehrssicherungspflichten an Wasserflächen für Bürgermeister

Bereits in unserer Eildienstmitteilung ED 70 vom 16.04.2020 haben wir über die Verkehrssicherungspflicht und die Verurteilung des ehemaligen Bürgermeisters der Gemeinde Neukirchen aufgrund des tödlichen Unfalls von drei Kindern im Dorfteich berichtet. Damals hat das Amtsgericht Schwalmstadt den Bürgermeister zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.000,00 Euro (120 Tagessätze zu 100,00 Euro) verurteilt, wobei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Im Berufungsprozess vor dem Marburger Landgericht wurde der ehemalige Bürgermeister auch in zweiter Instanz für schuldig gesprochen und wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen zu einer höheren Geldstrafe von insgesamt 14.400,00 Euro (180 Tagessätze zu je 80,00 Euro) verurteilt.

Mit dem Urteil verwarfen die Richter die Berufung des ehemaligen Bürgermeisters gegen das Urteil des Amtsgerichts Schwalmstadt.

Im Juni 2016 waren drei Geschwister im Alter von 5, 8 und 9 Jahren in dem bis zu knapp 2 m tiefen Dorfteich ertrunken. Die Anklage ging dabei davon aus, dass mindestens ein Kind beim Spielen ins Wasser gefallen war und die anderen beim Versuch, Hilfe zu leisten ebenfalls verunglückten. Wegen der gepflasterten und rutschigen Uferböschung hätten sie sich nicht retten können, befand das Landgericht. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung sowie eine Geldstrafe gefordert. Die beiden Nebenkläger – Vater und Mutter der ertrunkenen Kinder – schlossen sich dieser Forderung an.

Der ehemalige Bürgermeister hatte erklärt, er habe den Teich nicht als gefährlich wahrgenommen. Insofern sah er keine Notwendigkeit von Sicherheitsmaßnahmen. Im Mittelpunkt des Berufungsverfahrens hat nunmehr auch ein Schreiben der GVV Kommunalversicherung vom April 2014 gestanden. In diesem Schreiben wurde der Teich auf Anfrage eines Verwaltungsmitarbeiters der Stadt als verkehrsgefährlich eingeschätzt und der Kommune aus haftungsrechtlichen Gründen empfohlen, das Gelände einzuzäunen bzw. abzusichern. Der ehemalige Bürgermeister hat nach eigenen Aussagen von dem Inhalt des Schreibens erst im März 2020 und damit erst nach dem erstinstanzlichen Urteil des AG Schwalmstadt hiervon Kenntnis genommen. Er sei davon ausgegangen, es handele sich um ein „normales Versicherungsschreiben“ und habe es an die zuständige Abteilung weitergeleitet.

Das Landgericht Marburg vertrat allerdings die Auffassung, der Angeklagte selbst habe den Mitarbeiter mit der Nachfrage bei der Versicherung beauftragt. Im Übrigen meinte der vorsitzende Richter: „Unabhängig von dem Schreiben der Versicherung hätten Sie eingreifen müssen, weil Sie als Bürgermeister dafür verantwortlich sind, dass in Ihren Liegenschaften keine Unbeteiligten zu Schaden kommen.“

Der Umfang der Verkehrssicherungspflichten und die daraus resultierenden haftungsrechtlichen Verantwortlichkeiten bei Wasserflächen findet insbesondere vor dem Hintergrund dieser gerichtlichen Entscheidung immer mehr an Beachtung. Insofern hat der HSGB diesbezüglich bereits ein Tagesseminar zusammen mit der GVV Kommunalversicherung abgehalten. Bei entsprechendem Bedarf kann dieses Tagesseminar nochmals wiederholt werden. Bei Unsicherheiten in Bezug auf die Verkehrssicherungspflicht von natürlichen bzw. künstlich angelegten Gewässern empfiehlt sich eine Begehung und Begutachtung mit Fachleuten aus der Verwaltung und Mitarbeitern der gemeindlichen Haftpflichtversicherung. Auch die Einholung von Fachexpertisen ausgewiesener Fachgutachter können mögliche Risiken und deren Lösungsansätze aufzeigen.

Soweit uns das vollständige Urteil vorliegt, werden wir dieses in der Hessischen Städte- und Gemeindezeitung abdrucken und weiter berichten.

Mit der Bitte um Kenntnisnahme.