Finanzausstattung der hessischen Kommunen im Fokus
Landesversammlung der Stadtverordnetenvorsteher/innen und Vorsitzenden der Gemeindevertretungen in Wiesbaden
Wiesbaden, 13. Juni 2025. Die finanzielle Situation der hessischen Städte und Gemeinden wird Jahr für Jahr besorgniserregender. Die Kommunen müssen kostspielige Entscheidungen umsetzen, die auf Bundes- und Landesebene getroffen werden, kämpfen mit überbordender Bürokratie und sind verpflichtet, ihre Haushalte durch Rücklagenabbau, Grundsteuererhöhungen und das Ansetzen des Rotstiftes bei freiwilligen Leistungen irgendwie auszugleichen. Die Auswirkungen spüren nicht nur die Bürger vor Ort, sondern auch die Hauptamtlichen in den Verwaltungen und eine Vielzahl an Ehrenamtlichen, die sich in den Städte- und Gemeindeparlamenten als Stadtverordnete oder Gemeindevertreter engagieren. Nicht selten sind sie dem Unmut der Bevölkerung ausgesetzt, der teilweise sogar in Gewalt mündet.
Die Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen im Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB) kamen am 11. Juni 2025 auf Einladung des HSGB im Hessischen Landtag in Wiesbaden zusammen, um sich über die neuesten finanziellen Entwicklungen und drängendsten Probleme auszutauschen. Wie groß das Interesse an dem Thema ist, zeigte ein abschließender Blick auf die Teilnehmerzahl: Rund 150 Vorsitzende aus ganz Hessen waren der Einladung gefolgt.
Nach der Eröffnung durch Prof. Lothar Seitz, dem Landesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Stadtverordnetenvorsteher/innen und Vorsitzenden der Gemeindevertretungen der Mitgliedskommunen im Hessischen Städte- und Gemeindebund richteten Landtagspräsidentin Astrid Wallmann und Markus Röder (Gemeinde Hofbieber) als Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes Grußworte an die Landesversammlung.
Verurteilung jeglicher Gewalt gegenüber politischen Akteuren
Parlamentspräsidentin Astrid Wallmann betonte den Wert der politischen Arbeit auf Kommunalebene für die Demokratie und verurteilte jegliche Gewalt gegenüber den politischen Akteuren: „Die hessischen Städte und Gemeinden bilden das Fundament des Gemeinwesens unseres Landes. Es ist für unsere Demokratie höchst bedenklich, wenn Mitglieder von Parteien – gerade im Ehrenamt auf der kommunalen Ebene – verbal oder gar körperlich attackiert werden. Hier hört der notwendige politische Streit in einer Demokratie ganz klar auf. Die politische Polarisierung darf nicht dazu führen, dass die demokratische Auseinandersetzung in Gewalt mündet – hier müssen alle Demokraten füreinander einstehen, auch und gerade für diejenigen, die nicht die eigene Meinung teilen.“
Kommunen als „Herzkammer der Demokratie“
Auch HSGB-Präsident Markus Röder bedankte sich in seinem Grußwort bei den Anwesenden für deren politisches Engagement vor Ort und die damit verbundene Stärkung der Demokratie. Die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlungen und Gemeindevertretungen seien aufgrund der finanziellen Herausforderungen vor Ort oft mit sehr schwierigen Abwägungen und Entscheidungen konfrontiert. Röder beschrieb den Wert der Kommunen als „Herzkammer der Demokratie“. Eine Herzkammer funktioniere nur dann, wenn die Muskulatur gut in Takt sei und sie etwas von A nach B pumpen könne. „Vor dem Hintergrund ist es ganz wichtig, dass die Herzkammer mit ordentlichen Finanzen ausgestattet ist, damit die vielen Aufgaben in Ihren Gemeinden und Ihren Städten tagtäglich bewältigt werden können“, forderte Röder.
„Problem liegt auf der Ausgabenseite“
Im Anschluss an die Grußworte beleuchtete Patrik Kraulich vom Hessischen Ministerium der Finanzen in einem Vortrag die „Finanzausstattung der hessischen Kommunen“. Der stellvertretende Leiter der Abteilung IV verantwortet in seiner Funktion als Referatsleiter „Kommunalfinanzen I“ unter anderem die Themen Kommunaler Finanzausgleich, HESSENKASSE und das Hessengeld. Kraulich gab zunächst einen Überblick über die Finanzsituation der hessischen Kommunen. Diese seien bundesweit gesehen am steuerstärksten, den stetig wachsenden Einnahmen der letzten Jahre stünde aber eine kontinuierlich steigende Ausgabenbelastung gegenüber. So sei etwa im Jahr 2024 ein Defizit von 2,6 Milliarden Euro produziert worden. Das Problem liege auf der Ausgabenseite, dabei vor allem bei den Sozialausgaben infolge einer steigenden Zahl an Anspruchsberechtigen, der Ausweitung der Sozialleistungen und des Anstiegs bei den Standards.
Ein Problem liege auch in der Komplexität von Förderprogrammen. Der Abbau von Bürokratie sei ein erklärtes Ziel der neuen Bundesregierung und gehe aus dem Koalitionsvertrag hervor. Ziele seien die generelle Entbürokratisierung der Förderprogramme, die Vereinfachung von Förderbedingungen und -bestimmungen, pauschale Fördermittel sowie eine Vereinfachung des Nachweisverfahrens durch Verwendungsbestätigungen anstelle von Verwendungsnachweisen.
Doch, wie soll es mit dem Land und den Kommunen weitergehen? Bei einem kommunalen Finanzierungsdefizit von 2,6 Milliarden Euro sei ein Ausgleich durch das Land über den Kommunalen Finanzausgleich unrealistisch, betonte Kraulich. Es gelte, das zugrundeliegende strukturelle Problem anzugehen. Eine nachhaltige Lösung könne nur an der Ausgabenentstehung und damit der Ausgestaltung der Sozialausgaben ansetzen. Hierzu hätte die neue Bundesregierung in der Migrationspolitik einen ersten Schritt getan, um die Zahl der Anspruchsberechtigten und damit die Ausgaben im Flüchtlingsbereich zu reduzieren. Zudem hätte sie angekündigt, eine umfassende Aufgaben- und Kostenkritik vornehmen zu wollen (Zukunftspakt).
Das Land habe nun die Möglichkeit, sich mit Initiativen im Bundesrat (oder im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz) dafür einzusetzen, strukturelle Veränderungen herbeizuführen, die die Kommunen finanziell entlasten und damit mehr Gestaltungsspielraum eröffnen. Das Land und die Kommunen müssten gegenüber dem Bund allerdings geschlossen auftreten, so Kraulich.
Zum Abschluss berichtete der Finanzexperte über den Stand der Evaluation des Kommunalen Finanzausgleichs. Beschlüsse des Lenkungsausschusses sehen vor, dass neben zwingend erforderlichen Anpassungen des Hessisches Finanzausgleichsgesetz (HFAG) lediglich Maßnahmen umgesetzt werden, bei denen Einvernehmen innerhalb der kommunalen Familie herrscht. Zwingend erforderliche Anpassungen würden sich Kraulich zufolge aus der Grundsteuerreform ergeben, die sich erstmals im KFA 2026 auswirke. Anpassungen seien erforderlich, weil vor allem der ländliche Raum von der mit der Grundsteuerreform einhergehenden Änderung der Steuermessbeträge im KFA negativ betroffen sei. Dazu zählten Kraulich zufolge die Anpassung der Nivellierungshebesätze an die Effekte der Grundsteuerreform, die Stärkung des Ergänzungsansatzes für den ländlichen Raum sowie der Siedlungsindex als Kriterium für die Zuordnung zum ländlichen Raum (33 Kommunen neu im ländlichen Raum, 16 neu im Verdichtungsraum). Da die Stadt Hanau zum 1. Januar 2026 kreisfrei werde, verändere sich zudem ihre Stellung im KFA. Die damit verbundenen Anpassungen der Finanzströme müssten sachgerecht im HFAG abgebildet werden. Das geänderte Hessische Finanzausgleichsgesetz soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten, das Gesetzgebungsverfahren nach der Sommerpause starten. Auf die Ausführungen des Ministeriumvertreters folgte eine intensive und lebhafte Diskussion im Plenum, bei der immer wieder auf die schwierige finanzielle Situation vor Ort in den Städten und Gemeinden aufmerksam gemacht und diese mit Beispielen veranschaulicht wurde.
Berichte der Geschäftsführung
Der „Finanzausstattung der hessischen Kommunen“ widmete sich Geschäftsführer Dr. David Rauber auch im Anschluss noch einmal selbst. Rauber betonte, dass die Finanzausstattung durch drei Faktoren beeinflusst würde: durch die den Kommunen übertragenen Aufgaben und Standards, durch die eigenen kommunalen Einnahmen und die aufgabengerechte Aufstockung der kommunalen Einnahmen durch das Land. „In allen drei Bereichen besteht akuter Handlungsbedarf, denn die Ausgaben für die kommunalen Pflichtaufgaben sind viel stärker gestiegen als die kommunalen Einnahmen und die Landeszuweisungen. Wir wollen als HSGB daher mit dem Land an allen drei Stellschrauben kurzfristig und kräftig drehen – mit Entlastungen bei den Aufgaben, dem Schutz der eigenen kommunalen Einnahmen –, vor allem gegen eine Aushöhlung der Gewerbesteuer und im Kommunalen Finanzausgleich (KFA) mit den trotz schwieriger Haushaltslage möglichen Verbesserungen.“
Rauber nahm schließlich auch nochmal Bezug auf das Thema Standard- und Bürokratieabbau. „Die Landesregierung hat sich besonders dem Bürokratieabbau verschrieben. Für den HSGB fraglos ein sehr wichtiger Punkt, denn die gefährlichen ‚Bs‘ – Beauftragte, Beiräte, Berichtspflichten – und die Verfahrensvorgaben sind eine Dauerbaustelle. In der Kommunalrechtsnovelle hat der Gesetzgeber gerade neue ‚Bs‘ geregelt“, so Rauber. „Aber auch inhaltliche Vorgaben gehen oft über das hinaus, was für eine angemessene Aufgabenerfüllung nötig ist. Auf einen Nenner gebracht: Vertrauen fehlt!“ Dies sei, so Rauber, inzwischen auch der Tenor in der öffentlichen Diskussion, nicht nur der Kommunen, sondern auch der Wirtschaft. „Wir haben das schon 2022 gegenüber dem Ministerpräsidenten formuliert“, unterstrich Rauber. „Wir wissen alle: Bundestag und Landtag machen Gesetze, die für alle gelten. Aber die Einheitslösung wird oft nicht gleichermaßen für Wiesbaden, Wetzlar und Weißenborn passen. Genau deshalb ist oft Zurückhaltung bei der Gesetzgebung gefordert, denn in Wiesbaden, Wetzlar und Weißenborn werden sie normalerweise schon die örtlich passende Lösung finden.“
Geschäftsführer Johannes Heger zeigte sich in seinem Bericht zufrieden mit einem im Mai veröffentlichten und „von Pragmatismus sowie Augenmaß“ geprägten Erlass des Hessischen Innenministers, der bei den Kommunen mit Blick auf die erhöhten Sicherheitsanforderungen von Veranstaltungen für Klarheit gesorgt hätte. Auch das Förderprogramm zur interkommunalen Anschaffung von Wegfahrsperren sollte aus Sicht Hegers die Durchführung vieler Veranstaltungen ermöglichen.
Mit Blick auf die Anfang April in Kraft getretenen HGO-Novelle und das Thema digitale Sitzungsformate kündigte Heger die Bereitstellung neuer Muster samt Erläuterungen für Hauptsatzung, Entschädigungssatzung und Geschäftsordnung an, die den Mitgliedern des HSGB im Juni zur Verfügung gestellt werden sollen. Im Zusammenhang mit den am 15. März 2026 anstehenden Kommunalwahlen kündigte Heger außerdem einen Aufsatz zur Vorbereitung der konstituierenden Sitzungen an, die bis Ende April 2026 durchgeführt sein müssen.
Die Standards im Feuerwehrbereich werden in einer neuen Rahmenvereinbarung zwischen Land und der Unfallkasse Hessen thematisiert. Dem Geschäftsführer zufolge steht demnächst außerdem eine Novelle des Hessischen Gesetzes über den Brandschutz, die Allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz bevor. Darin berücksichtigt werden soll unter anderem, dass Personen bis 67 Jahren Dienst in der Feuerwehr leisten können. Heger berichtete zudem über eine Initiative auf Bundesebene, dass Feuerwehrgerätehäuser auch zwischen zwei Ortsteile gelegt werden können. Das Thema fällt in den Bereich des Baugesetzbuchs.
Geschäftsführer Harald Semler wies unter anderem mit Blick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen auf die Angebote der Freiherr vom Stein KOMMUNAL Beratung hin, die aktuell ihr 10-jähriges Bestehen feiert. Die Dienstleistungsgesellschaft verfolgt das Ziel, den erweiterten Bedarf von Beratungsleistungen rund um die kommunalen Belange aufzugreifen und die Kommunen bei der Bewältigung der vielfältigen Aufgaben zu unterstützen. Die Kommunen erhalten bei Bedarf unter anderem Inhouse-Schulungen und können die Angebote auch im Verbund mit anderen Kommunen wahrnehmen. Alle Informationen finden Interessierte online unter www.fvs-beratung.de.
Semler erläuterte im weiteren Verlauf seines Berichtes den immer größer werdenden Stellenwert der Cybersicherheit. Der Geschäftsführer wies darüber hinaus auf das vom Land ins Leben gerufene CyberCompetenceCenter (Hessen3C) mit dem damit verbundenen Aktionsprogramm „Kommunale Cybersicherheit“ hin.