Fachinformationen Kommunalverfassungsrecht

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Gesetz zur Sicherung der kommunalen Entscheidungsfähigkeit und zur Verschiebung der Bürgermeisterwahlen

Der Hessische Landtag hat am 24.03.2020 das Gesetz zur Sicherung der kommunalen Entscheidungsfähigkeit und zur Verschiebung der Bürgermeisterwahlen beschlossen (Drs.: 20/2591).

Hintergrund für die Gesetzesänderung ist die Sicherstellung von Entscheidungen auf kommunaler Ebene sowie die Verschiebung der anstehenden Bürgermeisterwahlen wegen der bestehenden allgemeinen Infektionslage. Die in Hessen ergangenen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus, die zur Verhinderung der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus öffentliche und nicht öffentliche Veranstaltungen ab einer bestimmten Zahl verbietet, betrifft nicht die Sitzungen von Verwaltungsorganen, da diese nicht unter den Begriff der „Veranstaltungen“ fallen. Da die Mitglieder der Gemeindevertretungen aber ebenso wie andere Gemeindeeinwohner von einem krankheits- oder quarantänebedingten Ausfall bedroht sind und aufgrund des Altersdurchschnitts viele Gemeindevertreter zu dem Risikofällen gehören, denen ganz besonders empfohlen wird auf soziale Kontakte vorübergehend zu verzichten, kann nicht ausgeschlossen werden, dass einige Gemeindevertretungen in der näheren Zukunft für einen nicht unbedeutenden Zeitraum ihre Entscheidungsfunktion nicht werden ausüben können. Insofern hat der Landtag beschlossen, hier für ein Übergangszeitraum Erleichterungen zu schaffen. Gemäß Art. 4 des Gesetzes sollen dieses am 30.04.2021 wieder außer Kraft treten.

Im Einzelnen ist folgendes vorgesehen:

  1. Einfügung eines Eilentscheidungsrechtes des Finanzausschusses an Stelle der Gemeindevertretung (§ 51 a HGO neu)

In dringenden Fällen soll, soweit die Gemeindevertretung für diesen Zweck keinen besonderen Ausschuss eingerichtet hat, der Finanzausschuss anstelle der Gemeindevertretung entscheiden dürfen, wenn die vorherige Entscheidung der Gemeindevertretung nicht eingeholt werden kann und Gründe des öffentlichen Wohls keinen Aufschub dulden. Nach der Begründung im Gesetz betrifft dies auch Entscheidungen, die in den sog. Ausschließlichkeitskatalog nach § 51 HGO fallen, wie etwa der Erlass von Satzungen oder gar Entscheidungen, bei denen nach dem geltenden Recht eine qualifizierte Mehrheit in der Gemeindevertretung vorgesehen ist. Allerdings soll die Eilentscheidung nach Inhalt, Umfang und Dauer auf das unbedingte notwendige Maß begrenzt werden. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass ein Aufschub der Entscheidung bis zur nächsten regulären bzw. bis zu einer Sondersitzung der Gemeindevertretung nicht ohne Schaden für die Gemeinde möglich ist.

Der Finanzausschuss kann nach der Neuregelung in Fällen dringender Angelegenheit auch in nicht öffentlicher Sitzung tagen. Die Entscheidung kann außerdem in Umlaufverfahren getroffen werden. Die Durchbrechung des Öffentlichkeitsprinzips gestattet es nach den Ausführungen in der Gesetzesbegründung, die Beratungen mittels Telefon- oder Videokonferenzen zu führen, um anschließend Entscheidungen im Umlaufverfahren treffen zu können. Das Umlaufverfahren kann somit auch die Beteiligung und Mitwirkung eines Mitgliedes des Finanzausschusses sichern, dass nach einer Infektion unter Quarantäne gestellt ist und physisch an der Teilnahme der Sitzung gehindert wäre. Unterliegt die Entscheidung einer besonderen gesetzlichen Mehrheitsanforderung, so gilt diese auch für die Eilentscheidung des Finanzausschusses, das heißt, die entsprechenden Mehrheiten müssen auch dort gegeben sein.

Über die Gründe für die Eilentscheidung und die Art der Erledigung ist der Vorsitzende der Gemeindevertretung unverzüglich schriftlich oder elektronisch zu unterrichten. Die Angelegenheit ist auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Gemeindevertretung aufzunehmen. Die Gemeindevertretung kann in ihrer nächsten Sitzung die Eilentscheidung wieder aufheben, soweit nicht durch ihre Ausführung bereits nicht mehr rückgängig zu machende Rechte Dritter entstanden sind.

Gemäß § 51 a Abs. 2 HGO (neu) soll die Regelung entsprechend für die Ortsbeiräten gelten, wenn und soweit die Gemeindevertretung diesen Hilfsorganen Angelegenheiten zur endgültigen Beschlussfassung übertragen hat.

Ein entsprechendes Eilentscheidungsrecht wird auch auf der Ebene des Landkreises eingeführt. Danach kann der Finanzausschuss anstelle des Kreistages in dringenden Angelegenheiten entscheiden, wenn die vorherige Entscheidung des Kreistages nicht eingeholt werden kann und Gründe des öffentlichen Wohls keinen Aufschub dulden.

  1. Verschiebung der Bürgermeisterwahlen/Bürgerentscheide für den Zeitraum von April bis Oktober 2020 (§ 150 HGO neu, § 68 a KWG neu)

Abweichend von § 42 Abs. 3 HGO findet die Wahl der Bürgermeister, die von April bis Oktober 2020 durchzuführen sind, nicht vor dem 01.11.2020 statt, sofern bei in Kraft treten des Gesetzes die Wahlscheine nach § 18 Abs. 1 KWO noch nicht erteilt worden sind. Angesichts der Nähe der allgemeinen Kommunalwahlen am 14.03.2021 können die Gemeindevertretungen auch beschließen, dass die Wahl des Bürgermeisters gemeinsam mit der allgemeinen Kommunalwahl erfolgt. Sofern durch die Verschiebung die 6-jährige Amtszeit eines Bürgermeisters ausläuft, ohne dass ein neuer Bürgermeister gewählt werden konnte, greift die Regelung des § 41 HGO über die Weiterführung der Amtsgeschäfte. Die neue Regelung bedeutet für die Parteien und die Wählergruppen, die nach § 12 KWG ihre Bewerber für die Wahlvorschläge in Mitglieder- oder Vertreterversammlungen aufstellen müssen, dass Sie diese Versammlung erst in der Woche nach den Sommerferien durchführen können, also zu einem Zeitpunkt, indem eine größere Ansammlung von Menschen in geschlossenen Räumen voraussichtlich unter Gesundheitsgesichtspunkten wieder vertretbar sind. Bezogen auf eine Bürgermeisterdirektwahl erst ab 01.11.2020 ist der Tag für die Einreichung von Wahlvorschlägen nach § 41 i.V.m. § 13 Abs. 1 KWG spätestens der 21.08.2020.

Eine entsprechende Regelung wurde auch für Bürgerentscheide, die von April bis Oktober 2020 durchzuführen sind, getroffen. Auch diese sollen nicht vor dem 01.11.2020 stattfinden (§ 68 a KWG neu).

  1. Inkrafttreten/ Außerkrafttreten des Gesetzes

Das Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Es tritt am 30.04.2021 außer Kraft.

Wir haben diese Eildienstmitteilung und den Gesetzentwurf auf unserer Homepage im Mitgliederbereich unter „Aktuelle Informationen zum Corona-Virus“ eingestellt.

Mit der Bitte um Beachtung.

Adr/Mai