aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Verkehrte Welt in Rückingen

Im Jahr 2016 begann in Erlensee ein Theaterprojekt mit jungen Geflüchteten. Aus dem Theaterstück „Verkehrte Welt- sei kein Depp, engagiere Dich“ wurde sogar ein Film.

AB-Ensemble

Rückingen ist ein historischer Ort im Kinzigtal. Die Herren von Rückingen saßen im Mittelalter in der markanten Wasserburg und regierten den Ort, der später in Kurmainzischen Besitz kam, dann zum Gebiet der Grafen von Hanau und schließlich ins Herrschaftsgebiet der Herren von Isenburg. Heute ist das historische Rückingen Ortsteil der Stadt Erlensee.

Rückingen war einbezogen in das Bund-Länderprogramm „Soziale Stadt“.  Von 1999 an wurden  das Gemeindebild und die Sozialstruktur des Ortsteils gefördert und wichtige Impulse für eine Gemeinwesenarbeit im Stadtteil gesetzt. Nach Auslaufen des Förderprogramms „Soziale Stadt“ übernahm Anita Losch, die Vorsitzende des Bürgerverein Soziales Erlensee e.V.,  gemeinsam mit engagierten Bürgerinnen und Bürgern, die soziale Stadtentwicklung in ihrem Ort voranzutreiben. Ihre Arbeit wurde durch Ideen, das Engagement, die kommunalen und regionalen Netzwerke und durch gemeinsam akquirierte Fördermittel und Spenden ermöglicht. Der „Bürgerverein Soziales Erlensee e.V.“ sucht die Zusammenarbeit mit allen gesellschaftlichen Kräften in Rückingen und Erlensee. Aktuell werden zum Beispiel die Flüchtlingshilfe, eine Homepage www.erlensee-aktiv.de, Beteiligungsprojekte für Kinder und Jugendliche, Theaterarbeit oder Projekte, die das Miteinander im Ort stärken, von dem Verein initiiert und durchgeführt.

Unter dem Stichwort „Kultur macht stark“ fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung Projekte, die die Bildung und Kulturarbeit gerade auch für Kinder und Jugendliche in sogenannten sozial benachteiligten Lebenslagen  in den Gemeinden im Fokus haben. In Rückingen werden Kinder und Jugendliche mit drei verschiedenen Projekten im Rahmen dieser Förderung angesprochen. Für die 6-11-jährigen organisiert der Bürgerverein ein Theaterprojekt. „Gemeinsam sind wir stark“ heißt ihr Stück: 35 Kinder haben unter Anleitung der  Regisseurin Maike Mai das Theaterspiel kennengelernt und ein Theaterstück selbst inszeniert, das die ethnische Vielfalt vor Ort thematisiert.

Durch junge Erwachsene wurde in Erlensee ein „Interkultureller Stadtplan“ erstellt. Junge Geflüchtete, die die Sport- und Kulturangebote bzw. Veranstaltungsorte in Erlensee und Umgebung ausprobiert haben, präsentierten ihre Recherchen in einem „Interkulturellen Stadtplan“. Als Neubürger und Neubürgerinnen waren sie sozusagen Reporter/innen für ihre Stadt und zeigen im Internet unter www.erlensee-aktiv.de allen interessierten Bürgern und Bürgerinnen auf, was sie aus ihrer Sicht in ihrem Wohnort besonders interessant finden.

Mit dem Projekt „Zuhause in Globalien – Verkehrte Welt“ wurde mit einer dritten Gruppe  Kindern und Jugendlichen im Altern von 8 und 18 Jahren ein weiteres Theaterstück gemeinsam erarbeitet, das sich altersgemäß mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen, wie Flucht und Zuwanderung, auseinandersetzt. Mit dem Angebot wurden Kinder und junge Erwachsene mit Migrationshintergrund erreicht, die selbst ihre „Geschichte“ auf die Bühnenbretter brachten. Inhalt des Theaterstücks ist dabei ein Perspektivwechsel, der darin besteht, dass es fiktiv in Deutschland auf einmal eine Partei gibt, die nach der Machtübernahme Deutsche dazu veranlasst, in ein anderes Land zu fliehen. Es wurden dabei sowohl gesellschaftliche Grundstimmungen mit extremen rechtsorientierten Entwicklungen aufgezeigt, wie auch eigene Erfahrungen bei einer Flucht in ein anderes Land aufgearbeitet. Die jungen Erwachsenen haben 1 ½ Jahre in dieses Theaterstück investiert. Mit Erfolg. Die Uraufführung von „Zuhause in Globalien – Verkehrte Welt“ fand im Juni 2017 in Berlin statt und wurde im Rahmen einer kleinen Tournee im Main-Kinzig-Kreis aufgeführt.

Die Arbeiten mit Regisseur Torsten Stoll haben viel bewirkt. Es ermöglichte den Jugendlichen in einer kreativen Weise über eigene Fluchterfahrungen zu reflektieren, andererseits lud es die Zuschauerinnen und Zuschauer ein, ihr Bild von Flucht und Asyl zu überdenken. Nach Abschluss des Projektes wurde der Wunsch in Erlensee laut, dass das Projekt weitergehen müsse. Das ambitionierte Vorhaben, einen Film zu drehen, wurde von den Jugendlichen selbst ins Werk gesetzt.

Der Film „Verkehrte Welt“ wurde in Privaträumen, in öffentlichen Gebäuden und in der Georg-Büchner-Schule in Erlensee gedreht. Entstanden ist ein eindrückliches Zeugnis von Bedrohung und Menschlichkeit, das nicht unbeteiligt lässt.

Am 4. September 2019 fand die Premiere des Films im Kinopolis Hanau statt. Kinder und Jugendliche haben unter der Regie des bewährten Regisseurs Torsten Stoll ihre Geschichte gedreht, die nach Vorbild ihres Theaterstücks sehr drastisch eine unmenschliche Entwicklung in der Gesellschaft wiederspiegelt.

Hauptdarstellerin Sara Krasniqi betont, dass die gemeinsame Arbeit an dem Projekt Jugendliche aus ganz unterschiedlichen kulturellen Kontexten zusammengeführt hat.   Mit dem Filmprojekt „Verkehrte Welt“ sind sie Freunde geworden , obschon sie aus Völkern stammen, die sich feindselig gesinnt sind.

„Kultur macht stark“: Es ist gelungen, mit dem Theater- und Filmprojekt jungen Leuten ein Stück Verortung in ihrer Stadt zu ermöglichen und ihnen die Chance zu geben, eigene Erfahrungen publikumswirksam und professionell zu präsentieren.