aktBuerg

Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Freiraum für Talente: Die „Artificial Family“ in Mühlheim am Main

feiernde Festivalbesucher
Das Festival in den Steinbrüchen ist eine überregional beachtete Institution geworden

Es begann 1992 mit einem Proberaum. In einer Industriehalle trafen sich jugendliche Musikerinnen und Musiker um sich und ihren Sound auszuprobieren. Der Proberaum in der Gewerbehalle wurde von mehreren Bands benutzt, die in der Stadt Mühlheim dann ihre Auftritte hatten, so im Jugendzentrum. Im April 1992 beschlossen die Musiker einen Verein zu gründen. Ein Mädchen schimpfte, ihr Freund würde vor lauter Musikmachen kaum noch zu sehen sein. „Ihr seid ja schon fast eine künstliche Familie“, so der Vorwurf. Daraus entwickelte die Kulturinitiative spontan ihren Namen: „Artificial Family“, was sowohl „künstliche“, aber auch „künstlerische Familie“ heißen kann.

Bekannt wurde die Initiative über die Grenzen der Stadt hinaus mit ihrem Veranstaltungsprogramm. Zunächst organisierten sie ein Zeltfestival im sogenannten Augenwaldgebiet. Da Anwohner sich über die Lautstärke beschwerten, kam die Idee auf, ins Naherholungsgebiet Dietesheimer Steinbrüche zu ziehen und dort ein Musikfest auf die Beine zu stellen. Nach dem Ende des Basaltabbaus ist mit den Steinbrüchen in Mühlheim eine beeindruckende Seenlandschaft entstanden. Hier, an einem Grillplatz, fanden die jungen Leute den ideale Ort für Musikdarbietungen, die auch etwas lauter sein durften. 1993 stieg das erste Steinbruchfestival im Naherholungsgebiet: 3 Tage Livemusik, täglich strömten bis zu 2.000 Besucher auf das Gelände. Die Lokalpresse witzelte „Woodstock in Mühlheim“. Seitdem ist das Festival eine überregional beachtete Institution geworden. Der besondere Charme liegt darin, dass von Folk bis Rock für jeden Musikgeschmack etwas geboten wird.

Die „Artificial Family“ eröffnet Freiräume für junge Talente. So finden Trommelkurse statt, eine Batucada-Rhythmusgruppe hat sich gegründet, zudem existierte früher noch eine Tanzgruppe. Heute wird Zumba und Yoga angeboten. Aber auch Freizeitaktivitäten wie Fußball, Kanu, Skirafting usw. wurden von der Familie „gemeinsam angepackt.“

Wichtig ist für den Verein das Projekt „Blockhaus“. Ein Spender aus Kronberg im Taunus stellte der Family ein Holzhaus zur Verfügung. Bedingung: die jungen Leute mussten selbst das Gebäude abbauen und nach Mühlheim am Main transportieren. 60 Personen registrierten, fotografierten und demontierten über sechs Wochen lang jedes Teil, transportierten das Material mit 42 Lkw-Ladungen auf eine alte Industriebrache. Schließlich vermittelte der damalige Bürgermeister Karl-Christian Schelzke den jungen Leuten ein Grundstück in Erbbaupacht, auf dem nun das Blockhaus steht, das nicht nur der „Artificial Family“ für ihre Aktivitäten zur Verfügung steht, sondern Raum für junge Talente bietet. Finanziert wurde das Blockhausprojekt mit einer Schenk- und Leihgemeinschaft.

Der Erfolg der Kulturinitiative ist es u. a., dass ein Großteil der Gründer heute noch aktiv Kulturprogramm macht. Die „familiäre“ Verbundenheit unter den Aktiven trägt. Außerdem zeigten die Verantwortlichen in der Kommune Vertrauen, auf dass die damals jungen Leute selbstverantwortlich Kulturprogramme machen konnten. Das gilt bis heute.