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Aktive Bürger =
Starke Kommunen

In den letzten Jahren ist in Hessen ein beispielhaftes Netz von bürgerschaftlichen Initiativen entstanden. In Zeiten immer knapper werdender öffentlicher Haushaltsmittel haben die Bürgerinnen und Bürger die Notwendigkeit erkannt, in ihrer Kommune selbst "mit anzupacken".
In Hessen sind rund 2 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig. Neben der freiwilligen Feuerwehr engagieren sich die Bürgerinnen und Bürger in Vereinen und Organisationen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich. Viele Menschen wollen sich allerdings nicht mehr in fest gefügten Strukturen engagieren. Sie wollen vielmehr punktuell und auf Zeit mitarbeiten.
Der Hessische Städte- und Gemeindebund möchte das in den Mitgliedskommunen bereits vorhandene bürgerschaftliche Engagement bekannt machen und den Anstoß, aber auch Unterstützung geben, dass in möglichst vielen Gemeinden und Städten der freiwillige Einsatz der Bürger gefördert wird.

Aktive Bürger

Engagement für Demokratie und Toleranz

Butzbach, eine Stadt im Wetterau-Kreis, war vor 10 Jahren von rechtsradikalen Vorkommnissen heimgesucht worden. Als ein rechter Kandidat bei den Kommunalwahlen 2006 in die Stadtverordnetenversammlung einzog, war dies für die Zivilgesellschaft in der Stadt der Anlass, sich gegen Fremdenfeindlichkeit und Hass zu Wehr zu setzen.

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Im Jahr 2007 wurde ein Bündnis für Demokratie und Toleranz mit Parteien, Gesellschaftlichen Organisationen, Kirchen und aktiven Bürgerinnen und Bürgern geschlossen. Pünktlich zum Hessentag, der im Jahr 2007 in Butzbach stattfand, wurde so ein wirksames Signal ausgesendet. Mit Veranstaltungen wie einem „Stolpersteinlauf“ und einem Mitternachtssport konnten Menschen mobilisiert werden, die für ein friedliches Miteinander aller einstehen und den Rechtsradikalen die Stirn boten.

Besonders der Stolpersteinlauf fand überregional großes Interesse. Der Lauf führte über einen Kilometer durch die historische Innenstadt von Butzbach, vorbei an den bereits verlegten Stolpersteinen. Stolpersteine erinnern an das Schicksal deportierter und getöteter Menschen während der Nazi-Zeit und wurden zum Gedenken vor den ehemaligen Häusern der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger verlegt.

Der abendliche Lauf  wurde mit Fackeln und Kerzen beleuchtet. An markanten Stellen wurden Informationstafeln, Plakate und Fotos auf die Bedeutung der Stolpersteine hingewiesen.
Das Butzbacher Bündnis und die Sportjugend Hessen, die den Lauf organisierten, waren so mit dem Echo der Laufveranstaltung zufrieden, dass in 2012 ein weiterer Stolpersteinlauf organisiert  wurde.

Nachdem sich die virulente  Situation, auch durch das Scheitern der Rechtsradikalen bei den Kommunalwahlen 2011, in Butzbach beruhigt hat, wollte das Bündnis neue Ziele verwirklichen. Jetzt geht es um die Aufnahme von Flüchtlingen in der Wetterau. In Butzbach sind bisher 170 Flüchtlinge zugewiesen worden. Bürgermeister Michael Merle und sein Team im Rathaus sorgen dafür, dass es in Butzbach in Zusammenarbeit mit einer Vielzahl engagierter ehrenamtlicher Bürgerinnen und Bürger  eine menschenwürdige Aufnahme der Flüchtlinge gewährleistet wird. Ein „Runder Tisch – Flüchtlingshilfe Butzbach“ wurde gebildet. Bei Veranstaltungen in der Stadt wurden die Menschen auf neuzugewiesene Flüchtlinge vorbereitet. Infotafeln auf dem Altstadtfest machen auf das Thema Asyl aufmerksam. Freiwillige organisieren Sachspenden, Sprachhilfen und Begegnungen, begleiten Flüchtlinge im Alltag und engagieren sich für die Integration der Menschen in ihrer Stadt.

Ein wichtiger Zugang für die Asylbewerber zur Stadtgemeinschaft ist der Sport. Wer im Verein Sport macht, bekommt Kontakte, lernt Deutsch und gehört dazu. Deshalb kann er ein Mittel sein, um Flüchtlingen das Einleben zu erleichtern und bei der Integration zu helfen. Deshalb hat die Sportjugend Hessen ein Projekt gestartet, um Flüchtlinge und Vereine zusammenzubringen. „Die Menschen sollen ein Stück Normalität leben», so Projektleiterin Angelika Ribler.  Die hessische Initiative «Sport und Flüchtlinge» ist im letzten Jahr unter anderem in Butzbach gestartet worden.

Dass die Idee funktioniert zeigt das Beispiel eines Flüchtlings aus Somalia. Der  junge Flüchtling Abdullah ist seit dem Frühjahr 2013 in Butzbach. Es dauerte nicht lange, dass der talentierte Sportler im örtlichen Lauftreff Anschluss gefunden hat. Mittlerweile hat der 20-Jährige an mehreren Wettkämpfen teilgenommen  und stand auch schon auf dem Treppchen. »Sport ist sehr wichtig, um Leute kennenzulernen. Er hilft auch ein bisschen dabei, deine Probleme zu vergessen«, meint der erfolgreiche Läufer.

Mit ihren Initiativen hat sich Butzbach beim neuen Bundesprogramm “Demokratie leben“ beworben – mit Erfolg. Die finanziellen Hilfen erlauben es der Kommune weitere Integrationsprojekte anzugehen. Im Begleitausschuss des Bundesprogramms arbeiten viele Butzbacher Vereine mit. Die Stadt hat einen Vereinsring, über 150 Vereine, die sich- bei allen bleibenden Unterschieden – als Familie verstehen - eine Familie, die bei der Ankunft von Flüchtlingen Türen geöffnet hat.

Für Bürgermeister Merle ist klar, dass sich der Einsatz der Aktiven Bürger nur auf eine Ergänzung der Flüchtlingsarbeit beschränken kann, die vom Staat zu leisten ist. Gerade in der Flüchtlingsarbeit droht mitunter eine Überforderung der zivilgesellschaftlichen Hilfen. Viele bürokratische Hürden gilt es zu vermitteln, Erfolge und Frustrationen zu besprechen, Haupt- und Ehrenamtliche in der Asylarbeit zu vernetzen.

Um dem Runden Tisch eine eigene Rechtsperson zu geben, planen die Butzbacher die Gründung eines Vereins. Die Möglichkeit, Spenden anzunehmen und vor allem der Schutz von Flüchtlingen und Freiwilligen ist hier ein wichtiges Argument, spontane Hilfen in einer Struktur zu bündeln.