Nachrichten des HSGB

Stillstand in der Dieselkrise beenden

Unter Beteiligung des Deutschen Städte- und Gemeindebundes tagte in Berlin die 2. Sitzung des Dieselgipfels und kam zu folgenden Ergebnissen: Verkehrswende mit kommunaler Elektromobilität einleiten;  Fördermilliarde verfügbar machen; keine Enteignung durch Blaue Plakette.

Rundes Verbots-Verkehrsschild mit Abbildung eines PKW und dem Schriftzug Diesel darunter
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Zuvor forderten die Städte und Gemeinden eine schnelle und unbürokratische Umsetzung der zugesagten Fördermaßnahmen zur Reduzierung von Luftschadstoffen vor Ort. Beim ersten kommunalen Dieselgipfel vor der Bundestagswahl wurde eine Milliarde Euro (750 Millionen Euro Bund, 250 Millionen Autoindustrie) in Aussicht gestellt. Bisher ist noch kein einziger Cent an die Kommunen geflossen. Die Bürokratie ist zu langsam. Die Kommunen stehen in den Startlöchern, um zum Beispiel ihre Dieselflotten nachzurüsten oder verstärkt auf Elektromobilität zu setzen. Derartige Maßnahmen führen kurzfristig zur Reduzierung des Schadstoffausstoßes und wären auch ein wichtiges Signal für die im Februar anstehende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zu möglichen Fahrverboten.

„Wir brauchen eine konkrete, klare Zusage, dass die ersten Gelder noch in diesem Jahr fließen und dass auch bereits begonnene Maßnahmen förderfähig bleiben“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, in Berlin. Landsberg warnte zugleich vor Insellösungen nur für einzelne Städte, die das Problem nur verlagern. „Wir müssen die Regionen in den Blick nehmen und dabei die Stadt-Umland-Beziehungen und die Pendlermobilität berücksichtigen“. „Fahrverbote und Blaue Plakette lehnen wir ab. Wir dürfen der Lebensader der Kommunen nicht den Stecker ziehen. Das würde die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger ungerecht belasten und wäre in der Praxis kaum umsetzbar.“, so Landsberg weiter. Notwendig ist vielmehr die Elektromobilität gerade bei den kommunalen Nutzfahrzeugen voranzubringen, um damit die Verkehrswende einzuleiten und ein Vorbild zu sein. Dabei eignen sich die Fahrzeuge der neuen Generation auch mit Blick auf Ladezeiten, Reichweiten und Ausstattung sehr gut für die allermeistern Aufgaben in den Kommunen. „Ob Ordnungsverwaltung, Bauhof, Stadtreinigung oder Grünflächenamt  – in allen diesen Bereichen können die alten Flotten sukzessive durch elektrisch betriebene Fahrzeuge ersetzt werden“, so Landsberg.

Vor diesem Hintergrund stellt der Deutsche Städte- und Gemeindebund gemeinsam mit der Deutschen Post in einer Pressekonferenz in Berlin exemplarisch den StreetScooter vor, der auch in zahlreichen kommunalen Anwendungsszenarien zum Einsatz kommen kann. Gemeinsam mit Landsberg präsentierte Harald Jucknat, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb bei der Deutschen Post, eine gemeinsame Dokumentation zum Einsatz von Elektrofahrzeugen in den kommunalen Fuhrparks. „Elektrofahrzeuge sind optimal für den innerstädtischen Lieferverkehr und andere kommunale Zwecke geeignet. Zum Beispiel unser StreetScooter: Mit ihm können die Kommunen sowohl die Umweltbelastung in den Städten als auch die Kosten bei Wartung und Verschleiß im Vergleich zum herkömmlichen Fuhrpark signifikant reduzieren. Weiterer Vorteil: Der StreetScooter ist kein Fahrzeug ‚von der Stange‘, sondern ein Werkzeug, das wir an die spezifischen und unterschiedlichen Bedürfnisse der gewerblichen und der kommunalen Nutzer anpassen“, so Jucknat.

Der Einsatz derartiger Fahrzeuge gehört in die Reihe kurzfristig wirksamer Maßnahmen, mit denen die Kommunen die Luftqualität verbessern wollen. Die Städte und Gemeinden wollen das Thema zügig angehen, denn auch für den kommunalen Fuhrpark gilt mit Blick auf Luftreinhaltung und Klimaschutz der Grundsatz „Global denken, lokal handeln“. „Das wird allerdings nur funktionieren, wenn sich Bund und Länder zur Verkehrswende bekennen und die Kommunen bei der Umsetzung nachhaltig unterstützen. Auch die deutsche Autoindustrie muss ihren Beitrag leisten, denn mit einem „Weiter so“ wird sie einen Zukunftsmarkt verschlafen“, so Landsberg.

Im Zweiten Gespräch der Bundeskanzlerin mit Kommunen und Ländern zur Luftreinhaltung am 28. November 2017 einigten sich die Beteiligten darauf, dass die Erhaltung und Verbesserung der Luftqualität gerade auch in Städten und Ballungsräumen von zentraler Bedeutung ist. Unser gemeinsames Ziel ist es, dass in allen von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Kommunen möglichst schnell eine Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte erreicht wird. Pauschale Fahrverbote müssen vermieden werden.

Die Bundesregierung und die beteiligten Länder und Kommunen haben sich heute auf Eckpunkte eines „Sofortprogramms Saubere Luft 2017-2020“ des Bundes zur Verbesserung der Luftqualität in Städten verständigt.

Das Programm umfasst folgende Maßnahmen: 

  • Elektrifizierung des urbanen Wirtschaftsverkehrs (v.a. leichte Nutzfahrzeuge)
  • Nachrüstung von Diesel-Bussen im ÖPNV mit Abgasnachbehandlungssystemen
  • Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme (u.a. Verkehrssteuerung, Verkehrsdatenerfassung, Parkleitsysteme, Fahrgastinformationssysteme). Ergänzend werden Maßnahmen, die in den zu erarbeitenden Masterplänen zur Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme dargestellt sind, gefördert
  • Elektrifizierung von Taxis, Mietwagen und Carsharing-Fahrzeugen
  • Elektrifizierung von Busflotten im ÖPNV
  • Förderung der Ladeinfrastruktur für die beschafften Elektrofahrzeuge

Diese Maßnahmen, die auf Vorschlägen von betroffenen Kommunen basieren und sich im Rahmen der dem Bund gesetzten verfassungsrechtlichen Möglichkeiten bewegen, zielen auf eine schnelle Verbesserung der Luftqualität in den Jahren bis 2020. Darüber hinaus unterstützen viele Maßnahmen den Klimaschutz im Verkehr, so dass ein großer Zusatznutzen entsteht. Die Bundesregierung wird die Kommunen bei der Umsetzung der Maßnahmen durch eine gezielte Förderung unterstützen. An dem Programm sollen Kommunen teilhaben, die von Grenzwertüberschreitungen betroffen sind. Dabei sollen insbesondere die Höhe der Grenzwertüberschreitung sowie die Wirksamkeit der zu erwartenden Immissionsminderung für eine Förderentscheidung im Vordergrund stehen. Die bei der ersten Besprechung im September beschlossene Bund-Länder-Kommunen-Arbeitsgruppe hat vorbereitend eine Entscheidungsgrundlage für die Förderung erarbeitet.

Insgesamt stehen für die Förderung der Maßnahmen zur Minderung der NO2-Belastung in den Städten Mittel in Höhe von bis zu 1 Mrd. Euro bereit, 750 Mio. Euro davon vom Bund. Die Sofortmaßnahmen sollen soweit möglich auf der Grundlage bestehender Förderrichtlinien des Bundes umgesetzt werden. Soweit für die ausgewählten Maßnahmen noch keine Förderinstrumente des Bundes bestehen, werden für wichtige Maßnahmen geeignete Förderrichtlinien kurzfristig neu aufgelegt. Dies gilt u.a. für die technische Nachrüstung von Dieselbussen mit Abgasnachbehandlungssystemen und für die Digitalisierung kommunaler Verkehrssysteme.

Energieeffizienz- und Klimaschutzmaßnahmen stehen nicht in Konkurrenz zu den neuen Maßnahmen der Luftreinhaltung. Sie werden daher nicht gegeneinander aufgerechnet.

Spezifische Maßnahmen für Städte mit See- bzw. großen Binnenhäfen sowie entlang großer Wasserstraßen mit entsprechendem Schiffsverkehr werden ergänzend weiter geprüft.

Darüber hinaus werden weitere Maßnahmen durchgeführt, insbesondere: 

  • Verbesserung von Logistikkonzepten und Bündelung von Verkehrsströmen
  • Kurzfristig umsetzbare Maßnahmen im Radverkehr. Diese werden über die bestehenden Förderrichtlinien des Bundes zum Radverkehr gefördert.

Kommunen und weitere Förderberechtigte für die einzelnen Programme können sich über die Internetseite des Bundespresseamts [http://www.bundesregierung.de/sofortprogramm-saubere-luft] darüber informieren, welche Programme im Einzelnen zur Verfügung stehen und wo weitere Informationen zu erhalten sind.

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die Kommunen so früh wie möglich mit den erforderlichen Maßnahmen beginnen müssen. Sie prüft daher, für welche Maßnahmen und ab welchem Zeitpunkt sie einen förderunschädlichen vorzeitigen Vorhabenbeginn für noch nicht begonnene Maßnahmen oder neue Phasen eines bereits begonnenen Projektes ermöglichen kann.

Die Bundesregierung prüft zudem, ob in den Förderrichtlinien des Bundes bestehende Kumulationsverbote zu möglichen Landesförderungen aufgehoben werden können. Die Länder werden dem Bund konkrete Vorschläge dazu übermitteln.

Die Mittel des Sofortprogramms in Höhe von bis zu 1 Mrd. Euro werden für die genannten Maßnahmen bereitgestellt. Die bestehenden und neu geschaffenen Förderrichtlinien werden in dieser Höhe mit zusätzlichen Mitteln ausgestattet. Im Übrigen ist auf die Entscheidung des Haushaltsgesetzgebers zum Bundeshaus-halt 2018 zu verweisen.

Das Sofortprogramm des Bundes unterstützt die für die örtliche Verkehrsinfrastruktur zuständigen Länder und Kommunen bei der Durchführung der notwendigen Anstrengungen zur Verbesserung der Luftqualität. Diese ergreifen weitere geeignete Maßnahmen je nach Erfordernissen vor Ort, etwa in den Bereichen ÖPNV oder Radverkehr.

Bund, Länder und Kommunen sind sich darüber einig, dass der administrative Aufwand für wirksame Maßnahmen so gering wie möglich gehalten werden soll. Deswegen werden Bund, Länder und Kommunen eng zusammen arbeiten, damit die Maßnahmen auch effizient vorbereitet werden können. Sie werden gemeinsam ein einheitliches Monitoring über die Umsetzung des Sofortprogramms auflegen. Neben den o.g. Maßnahmen müssen weitere mittel- und langfristige Schritte ergriffen werden, um die Luftqualität zu verbessern.

Bund, Länder und Kommunen werden diesen Prozess weiter begleiten.