Nachrichten des HSGB

Gemeinsam für eine Entlastungsallianz - Kommunen und Verbände fordern gemeinsam Aufgabenkritik, Priorisierung und Bürokratieabbau

Gemeinsam für eine Entlastungsallianz: Diesen Weg will ein breites Bündnis aus den hessischen Industrie- und Handelskammern, dem hessischen Handwerkstag, dem Hessischen Städte- und Gemeindebund (HSGB), dem Hessischen Städtetag, dem Hessischen Landkreistag, dem Hessischen Waldbesitzerverband, dem Kommunalen Arbeitgeberverband Hessen, dem Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen und der Landesgruppe Hessen des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) mit der künftigen Landesregierung gehen. 

Außenaufnahme des Hessischen Landtages
© dieter-schuetz-pixelio

Das machten die Vertreter/innen der Bündnispartner auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Wiesbaden deutlich. Die nächste Wahlperiode des Landtags müsse im Zeichen von Aufgabenkritik, Priorisierung und Bürokratieabbau stehen, schreiben die Bündnispartner an die aktuell eine Regierungsbildung sondierenden Parteien und Fraktionen. Sie streben den Abschluss einer Entlastungsallianz mit der kommenden Landesregierung an.

Inhalt der Entlastungsallianz sollen laut Schreiben mehr Freiräume für eigenverantwortliche lokale Gestaltung und Bürokratieabbau im umfassenden Sinne sein.

„Das Vertrauen bröckelt, weil man uns nicht vertraut!“

Bürgermeister Matthias Baaß, Präsident des Hessischen Städte- und Gemeindebundes stellte klar: „Viele Leistungsversprechen aus Bundes- und Landespolitik sind aktuell aus Mangel an Personal und Geld so nicht erfüllbar. Die Leute merken das, und diese Entwicklung spiegelt sich in einer wachsenden Unzufriedenheit mit unserem politischen System wieder.“

Präsident Matthias Baaß verwies auf aktuelle Umfragen und das Ergebnis der Landtagswahlen in Hessen und Bayern. Anträge, Dokumentations- und Berichtspflichten seien Ausdruck für fehlendes Vertrauen und das Streben, sich abzusichern. „Das Vertrauen in die Demokratie bröckelt, weil der Staat nicht einmal den vor Ort Verantwortlichen vertraut,“ kritisierte Baaß. Die Gesellschaft und die Kommunen verdienten aber Vertrauen. In kommunaler Verantwortung ließen sich viele Probleme besser lösen als mit gesetzlichen Vorgaben.

„Daseinsvorsorge und Recht müssen verlässlich bleiben“

Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, Präsident des Hessischen Städtetages pflichtete seinem Kollegen bei: „Den Städten und Gemeinden ist die Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen. Die Bürgerschaft vertraut zurecht darauf, dass die Kommunen diese gewährleisten und gesetztes Recht um- und durchsetzen. Dies wurde von Bundes- und Landespolitik in den letzten Jahren nicht wirklich beachtet, soweit Aufgaben- und Anspruchszuwachs ohne Rücksicht auf Personalressourcen gesetzt wurden“. Und der Erste Vizepräsident des Kommunalen Spitzenverbandes, Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende ergänzt: „Zudem hat der Gesetzgeber die finanzielle Ausstattung für jede dieser neuen oder inhaltlich angereicherten Aufgaben völlig vernachlässigt. Das Land ist hier zudem in der besonderen Pflicht für seine Städte, Landkreise und Gemeinden im Bundesrat stärker darauf zu achten, dass – unserer Verfassung entsprechend – Regelungen auch ausgeführt und umgesetzt werden können.“ 

„Es ist Zeit, umzudenken!“

Präsidenten Wolfgang Schuster vom Hessischen Landkreistag weiß aus eigener Erfahrung: „Ich bin seit über 50 Jahren im öffentlichen Dienst. Die Regelungsdichte und Aufgabenkomplexität hat immer weiter zugenommen. Dabei werden die zu lösenden Aufgaben immer größer und drängender. Mit dem derzeitigen Regelungsregime können wir den Anforderungen unter den gegebenen Rahmenbedingungen nicht mehr dauerhaft gerecht werden. Es ist Zeit umzudenken und den Verwaltungsaufwand zwischen allen Verwaltungsebenen sowie dem Bürger deutlich zu reduzieren.“

Die Kommunalen Arbeitsgeber warnten hier vor einer dauerhaften Überforderung der Kommunen. „Die Kommunen nehmen eine wichtige Schlüsselrolle zwischen der Bürgerschaft und dem Staat ein. Doch durch vielfältige Zusatzaufgaben können sie diese Aufgaben immer weniger erfüllen. Es fehlen qualifiziertes Personal und die nötigen Finanzmittel“, sagte Dr. Bastian Bergerhoff, Präsident des Kommunalen Arbeitgeberverbands Hessen e.V. (KAV). „Dabei haben wir in Hessen bereits jetzt einen enormen Nachholbedarf, etwa bei der Digitalisierung, der Verwaltungsmodernisierung und im Umgang mit der gesamtgesellschaftlichen Transformation. Zugleich führt der demographische Wandel zu einem spürbaren Arbeitskräftemangel. In dieser Situation brauchen wir jetzt weniger rechtliche Vorgaben und bürokratische Anforderungen, denn diese binden die ohnehin knappen personellen und finanziellen Mittel. Schluss mit dem überbordenden Regelungsdickicht.“

Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren

Nicht nur die Kommunen, sondern auch die Kommunalen Unternehmen fordern eine Entlastung in den formalen Planungs- und Betriebsverfahren.  Ralf Schodlok, Vorsitzender der VKU-Landesgruppe Hessen unterstrich:

„Genehmigungsverfahren müssen kürzer und einfacher werden. Es kann Jahre dauern, um alle benötigen Gutachten und Unterlagen für das Genehmigungsverfahren eines neuen Windrades zu erstellen und einzuholen. Anschließend dauert es in der Regel Monate, bis das zuständige Regierungspräsidium die Vollständigkeit geprüft hat. Und erst dann startet das eigentliche Genehmigungsverfahren.“ Schodlok verwies auf die Verquickung von bürokratischen Erfordernissen und der Personalfrage: „Auch bei Wasserrechtsverfahren zur Gewinnung von Trinkwasser müssen Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt und gestrafft werden. Das ist notwendig, um Infrastrukturen und Systeme an die Folgen des Klimawandels anzupassen und die Wasserver- und Abwasserentsorgung zu sichern. Für schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren braucht es zunächst mehr Fachpersonal an den wesentlichen/ relevanten Stellen behördlicher Entscheidungen. Nur mit mehr Personal bekommen wir die Beschleunigung hin.“

Ähnlich argumentiert Vizepräsident Roland Seel vom Hessischen Waldbesitzerverband: „„In diesen Zeiten des Klimawandels und Waldsterbens ist es die vordringlichste Aufgabe aller Waldbesitzer, den Umbau des heimischen Waldes zur künftigen Sicherung der Nutz- und Schutzfunktionen schnellstmöglich zu gewährleisten. Dazu bedarf es weiterhin der finanziellen Unterstützung des Staates und andererseits des Abbaus bürokratischer Hindernisse. Es sind schnelle und zukunftsfähige Entscheidung gefragt, die mit erheblichen Investitionen einhergehen. Förderverfahren müssen beschleunigt, die Waldwirtschaft vereinfacht werden. Dies gilt z. B. für die Verträglichkeitsvorprüfung von forstwirtschaftlichen Maßnahmen in FFH-Gebieten.“


Schluss mit dem überbordenden Regelungsdickicht!

Bürokratieabbau ist nicht nur für die Kommunen und die kommunalen Unternehmen ein wichtiges Thema, sondern auch für die Wirtschaft.

Auf die negativen Folgen einer überbordenden Regulierung insbesondere für die Wirtschaft verwies der Geschäftsführende Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes Hessen-Thüringen, Stefan G. Reuß: „Insbesondere die mittelständischen Unternehmen gilt es von bürokratischen Vorgaben zu entlasten. Sie brauchen endlich wieder mehr Luft zum Atmen, damit sie sich mit voller Kraft ihrem eigentlichen Unternehmenszweck widmen können. Davon würde der gesamte Wirtschaftsstandort profitieren.“

Auch der Hessische Industrie- und Handelskammertag (HIHK) warnte: „Hessen wird an allen Ecken und Enden durch überbordende Bürokratie ausgebremst - auch Hessens Wirtschaft. Aus meiner Tätigkeit als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer weiß ich, dass sich Existenzneugründungen durch lange Wartezeiten inzwischen massiv verzögern. Neue Regelungen von Bundes- und Landesebene, die durch die kommunalen Verwaltungen umgesetzt werden sollen, müssen vor Inkrafttreten unbedingt auf Umsetzbarkeit geprüft werden – sie dürfen keinesfalls zu noch mehr Belastungen und Behinderungen führen. Auch bestehende Verwaltungsprozesse müssen dringend verschlankt und digitalisiert werden“, sagte Dr. Christian Gastl, Vizepräsident des HIHK e. V. „Die Vielzahl regulatorischer Vorgaben wirkt sich vor allem auf kleine Firmen aus: Inhaber müssen häufig selbst die Vorgaben abarbeiten, während größere Betriebe Personal für diese Zwecke beschäftigen können. Ein zügiger Bürokratieabbau kombiniert mit durchgängig digitalen Verfahren setzt neue Kräfte in der Wirtschaft frei“, ergänzte Jörg Ludwig Jordan, Präsident der IHK Kassel-Marburg, die jüngst eine Umfrage zur Bürokratiebelastung bei ihren Mitgliedsunternehmen durchgeführt hat.

Bereitschaft, Schlüsselthemen gemeinsam anzugehen

Handwerkspräsident Stefan Füll betonte: „Das Handwerk ist bereit, bei den großen Zukunftsaufgaben für eine erfolgreiche Transformation und Modernisierung des Landes anzupacken. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass bei den Entlastungen in der neuen Legislaturperiode wirklich ernst gemacht wird. Dazu zählt vor allem ein deutlicher Bürokratieabbau. Die überbordende Bürokratie wirkt in ohnehin wirtschaftlich schwierigen Zeiten als Wachstums- und Investitionsbremse und verhindert Betriebsübernahmen. Deshalb braucht es dringend schnelle und spürbare Entlastungen, die in der Praxis der Handwerksbetriebe auch tatsächlich ankommen“.