Fachinformationen Kommunalverfassungsrecht

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Kommunalrecht

Auszug aus dem Tätigkeitsbericht des HSGB 2011 bis 2013

Mit Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung oder andere Gesetze vom 16. Dezember 2011 (GVBl. I, S. 786) ist die Hessische Gemeindeordnung in wesentlichen Bereichen geändert bzw. ergänzt worden. Zu dem zugrundeliegenden Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP wurde nach Beschlussfassung im entsprechenden Fachausschuss sowie im Präsidium des Hessischen Städte- und Gemeindebundes umfänglich Stellung genommen. Die zentralen Änderungen betrafen die Möglichkeit, öffentliche Bekanntmachungen zukünftig im Internet vorzunehmen, soweit zusätzlich eine sog. Hinweisbekanntmachung in einer Zeitung erfolgt. Auch die Einladungen zu den Gremiensitzungen der Städte und Gemeinden können künftig per E-Mail versandt werden, wobei es sich hinsichtlich der Anpassung des § 58 Abs. 1 Satz 1 HGO um eine Alternative handelt, wonach zu den Sitzungen schriftlich oder elektronisch unter Angabe der Verhandlungsgegenstände geladen werden kann.

Die Übertragung der Sitzungen der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenver-sammlungen durch Medienvertreter kann zukünftig durch eine entsprechende Hauptsatzungsregelung gemäß § 52 Abs. 3 HGO ermöglicht werden, wonach Film- und Tonaufnahmen aus öffentlichen Sitzungen zulässig sind. Hierbei handelt es sich um eine Ermächtigungsgrundlage, von der die jeweilige Kommune vor Ort eigenständig Gebrauch machen kann oder auch nicht. Weiterhin haben Fraktionen künftig ein eigenes Antragsrecht nach § 58 Abs. 5 HGO, was nunmehr ausdrücklich gesetzlich klargestellt worden ist. Ebenfalls ausdrücklich normiert worden ist die Möglichkeit für Fraktionen im Rahmen von § 50 Abs. 2 HGO schriftliche Anfragen zu stellen und diese vom Gemeindevorstand bzw. Magistrat beantwortet zu bekommen.

Im Rahmen der Verdienstausfallregelung nach § 27 Abs. 1 HGO sollen Freiberufler und Selbständige unter Vorlage entsprechender Nachweise die Kosten mandatsbedingter Arbeitsversäumnisse abgegolten bekommen. Die maximale Höhe der Entschädigung kann hierbei durch Satzung begrenzt werden.

Neu eingeführt worden ist die Schaffung eines sog. Ratsbegehrens bei Entscheidungen über die Fusion von Gemeinden (§ 16 HGO) sowie die Schaffung einer Rechtsgrundlage für Bürgermeister und Landräte in der Gemeindevertretung bzw. dem Kreistag „die Vertrauensfrage zu stellen“, mit der Folge einer anschließenden Versetzung in den Ruhestand, bei einem Misstrauensvotum von mindestens ⅔ der Mandatsträger (§ 76 a HGO).

Hervorzuheben ist auch die Neuregelung in § 57 Abs. 3 bis 5 HGO, die eine Stärkung der Position des Vorsitzenden der Gemeindevertretung bzw. der Stadtverordnetenvorsteher beinhaltet. Hiernach sind diese zur unparteiischen Wahrnehmung ihrer Arbeit in der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung angehalten. Der Vorsitzende repräsentiert zudem das Organ in der Öffentlichkeit und kann die Anwohner über das Wirken der Gemeindevertretung bzw. Stadtverordnetenversammlung informieren. Für die Erledigung seiner in diesem Zusammenhang stehenden Aufgaben unterstützt ihn der Gemeindevorstand bzw. Magistrat unter anderem auch durch die Zurverfügungstellung der erforderlichen Mittel.

Neu eingeführt wurde zudem das Rechtsinstitut der kommunalen Anstalt als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechtes nach § 126 a HGO. Unter anderem auf Initiative des Hessischen Städte- und Gemeindebundes ist im Rahmen des Gesetzes über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG) zwischenzeitlich auch die Möglichkeit eröffnet worden, dass nicht nur eine Kommune für sich alleine, sondern auch mehrere Kommunen und Landkreise zur gemeinsamen Aufgabenerfüllung eine Anstalt des öffentlichen Rechtes unter gemeinsamer Trägerschaft gründen können (§§ 29 a, 29 b KGG).

Im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Bürgerbegehren und Bürgerentscheid hat die HGO-Novelle vom Dezember 2011 einige Veränderungen mit sich gebracht. So ist der Bereich der Bauleitplanung grundsätzlich in den Negativkatalog des § 8 b Abs. 2 HGO aufgenommen worden. Hierbei handelt es sich um eine langjährige Forderung des Städte- und Gemeindebundes, die nunmehr nur eine Ausnahme im Zusammenhang mit einem Aufstellungsbeschluss nach § 2 Abs. 1 BauGB kennt. Ein Kompromiss, der seitens unseres Verbandes auf Zustimmung gestoßen ist, da hiermit einhergehend eine frühzeitige Klarstellung gewährleistet ist, ob ein entsprechendes Bauleitplanverfahren im Sinne des Aufstellungsbeschlusses Bestand hat oder im Wege eines Bürgerentscheides eine Veränderung erfährt. Weiterhin ist die Einreichungsfrist bei kassatorischen Bürgerbegehren von 6 auf 8 Wochen verlängert worden, was wir für akzeptabel angesehen haben, um den Bürgerinitiativen die rechtssichere Formulierung der Fragestellung und das Sammeln der Unterschriften zu ermöglichen, ohne dass dieses für die Städte und Gemeinden mit einem Mehraufwand verbunden ist. Abgelehnt wurde von uns die Herabsetzung der Einreichungsquoren für Gemeinden mit mehr als 100.000 bzw. 50.000 Einwohnern. Auch wenn unser Mitgliedsbereich hiervon nicht tangiert ist, so halten wir ein einheitliches Zustimmungsquorum von 25 % der Stimmberechtigten für geboten, um eine hinreichende Unterstützung des Ansinnens zu gewährleisten. Kritisch gesehen wurde die nunmehr vorgesehene Unterrichtungspflicht des Gemeindevorstandes über die beim Bürgerbegehren einzuhaltenden gesetzlichen Bestimmungen. Neben einem möglichen Interessenwiderstreit und einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand sehen wir die Gefahr einer Abgrenzung zu Fragen der Rechtsberatung und deren Grenzen, die es auch nicht ausschließen kann, dass die zum Teil hochkomplexen juristischen Bewertungen, die damit einhergehen, zu möglichen Amtshaftungsansprüchen führen können. Weiterhin ist nunmehr die Möglichkeit der einvernehmlichen Korrektur der Fragestellung seitens der zur Entscheidung berufenen Gemeindevertretung mit Zustimmung der Vertrauenspersonen geregelt. Hier wird der Umfang der hiermit ermöglichten Einflussnahme auf die Fragestellung des Bürgerbegehrens abzuwarten sein.

Im Rahmen der schriftlichen Anhörung im Innenausschuss des Hessischen Landtages wurden seitens des Hessischen Städte- und Gemeindebundes auch weitere Forderung unseres Verbandes erhoben, die jedoch im Gesetzgebungsverfahren keine weitere Berücksichtigung gefunden haben. Hier seien exemplarisch die Verschlankung der Größe der Organe in der Hessischen Gemeindeordnung, die Abschaffung der Ein-Personen-Fraktion und der Umfang des Akteneinsichtsrechtes nach § 50 Abs. 2 HGO erwähnt. Ausdrücklich zu begrüßen ist es, dass eine jahrelange Forderung unseres Verbandes nunmehr Rechnung getragen wurde, wonach die Befristung der Hessischen Kommunalverfassung durch Wegfall des § 156 HGO aufgehoben wurde.

Im Rahmen zweier mündlicher Anhörungen im Innenausschuss des Hessischen Landtages wurden die Positionen des Hessischen Städte- und Gemeindebundes entsprechend erläutert und gemäß der umfangreichen Stellungnahme vorgetragen. Ein Hauptaugenmerk lag dabei auf dem Erfordernis einer Hinweisbekanntmachung in einer Zeitung bei öffentlichen Bekanntmachungen in Form des Internet. Diese haben wir nicht für erforderlich gehalten, zumal eine zusätzliche Hürde für die Internetbekanntmachung geschaffen wird und der schnelle effektive und kostengünstige Weg für Bekanntmachungen erschwert wird.

Im Anschluss an die Verabschiedung des Änderungsgesetzes im Dezember 2011 wurden die entsprechenden Satzungsmuster (Hauptsatzung, Entschädigungs-satzung) und Geschäftsordnungsmuster für Gemeindevertretung, Gemeindevorstand, Ortsbeirat und Ausländerbeirat sowie Kinder- und Jugendbeirat umfassend novelliert und – auch in Absprache mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport – an die neuen gesetzlichen Regelungen angepasst. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Möglichkeit der optionalen Einladung zu Sitzungen in elektronischer Form gemäß § 58 Abs. 1 HGO hinzuweisen, wonach zukünftig nach Vorlage einer schriftlichen Einverständniserklärung der Mandatsträger die Versendung der Einladung per E-Mail ermöglicht wird. In Anbetracht des Wortlauts von § 58 Abs. 1 Satz 2 HGO gehen wir weiterhin davon aus, dass es eines Zugangs der entsprechenden Ladung bedarf und ein reines Downloadsystem nicht zulässig ist. Soweit es die Zurverfügungstellung weiterer Sitzungsunterlagen anbelangt, ist ein Zugriff auf den internen Bereich der Gemeindehomepage in Form des Downloads darstellbar, wonach diese Unterlagen dort zum Abruf bereitgestellt werden können.

Im Zusammenhang mit der Regelung von Film- und Tonaufzeichnungen durch Medien ist zukünftig eine Regelung in der Geschäftsordnung nicht mehr statthaft und das Hauptsatzungsmuster um eine entsprechende Textpassage ergänzt worden. Neu aufgenommen wurde die Möglichkeit einer Internetübertragung (sog. Live-Stream) im Rahmen des Internetauftritts der Gemeinde, wenn die Gemeindevertretung dieses beschließt. Mit dieser Regelung wird der in der Praxis immer bedeutenderen Frage der sog. Sitzungsöffentlichkeit Rechnung getragen. Hierbei handelt es sich um eine Möglichkeit, auf der eigenen Internetseite der Gemeinde die öffentlichen Sitzungen der Gemeindevertretung mit Bild und Ton technisch aufzuzeichnen und unmittelbar mittels eines sog. Live-Streams öffentlich zugänglich zu machen.

Im Rahmen der Einführungs- bzw. Umsetzungsphase war ein erhöhter Beratungsbedarf seitens der Geschäftsstelle des Städte- und Gemeindebundes zu verzeichnen, was auch durch entsprechende Lehrgangsangebote im Rahmen des Freiherr vom Stein-Institutes begleitet wurde.

Der Hessische Städte- und Gemeindebund hat weiterhin zu dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (Drucks. 18/3116) Stellung genommen. Im Wesentlichen handelte es sich um Änderungsvorschläge im Zusammenhang mit der Schaffung eines hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten und Klimaschutz- und Energiebeauftragten, der Absenkung des kommunalen Wahlalters auf 16 Jahre und der Einräumung der Wahlberechtigung für alle Bürger mit einem Wohnsitz seit mindestens drei Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem wurde die Herabsetzung des Wählbarkeitsalters von Bürgermeistern vom 25. auf das 21. Lebensjahr sowie die Einräumung eines eigenen Antragsrechts und eines generellen Rederechtes für den Ausländerbeirat in der Gemeindevertretung von der Fraktion DIE LINKE gefordert. Die entsprechenden Änderungsvorschläge wurden überwiegend abgelehnt, da es sich zum einen um die Schaffung zusätzlicher hauptamtlicher Kräfte handelte, die mit den finanziellen Spielräumen der Städte und Gemeinden nicht zu vereinbaren sind. Hinsichtlich der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre und dem kommunalen Wahlrecht für Nicht-EU-Bürgern unterlagen die Vorschläge verfassungsrechtlichen Bedenken vor dem Hintergrund von Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG und Art. 73 Abs. 1 HV. Bei der Abkehr vom Grundsatz der repräsentativen Demokratie (Vorschlag zur Neufassung des § 1 HGO) ist hiermit eine zentrale Abkehr vom bisherigen repräsentativen Demokratieverständnis verbunden und eine erhebliche Schwächung des ehrenamtlichen Engagements durch Gemeindevertreter und Stadtverordnete zu verzeichnen. Begrüßt wurde die Aufnahme des Konnexitätsprinzips in die Hessische Gemeindeordnung und die Einbindung der kommunalen Spitzenverbände, wohingegen die Schaffung eines Gemeindeantrags für Einwohner ab dem vollendeten 14. Lebensjahr sowie die Absenkung der Quoren bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden auf Ablehnung unseres Verbandes gestoßen sind.

Im Rahmen der kommunalrechtlichen Verwaltungsstreitverfahren, in denen der Hessische Städte- und Gemeindebund vertreten hat, ist auf zwei Anfechtungen von Kommunalwahlen hinzuweisen, die Gegenstand von Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Kassel waren. In einem Fall wurde die Wiederholung der Kommunalwahl in einem Wahlbezirk angeordnet, da es zu einer fehlenden Zählung und Eintragung der Stimmabgabevermerke in der Wahlniederschrift gekommen war, die eine Unregelmäßigkeit im Wahlverfahren darstellte und dieses dazu geführt hatte, dass sich nicht aufklären ließ, worauf eine größere Anzahl der tatsächlichen Stimmzettel im Verhältnis zu den gezählten Stimmzetteln zurückzuführen war. Auch nach umfassender Aufklärung des Sachverhaltes im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte nicht ausgeschlossen werden, dass Stimmzettel nicht ordnungsgemäß abgegeben wurden, so dass für den betroffenen Wahlbezirk die Wiederholung der Kommunalwahl vom 27. März 2011 gerichtlich angeordnet wurde.

Im zweiten Fall wurde eine unbegründete Anfechtung der Kommunalwahl bescheinigt, da bloß allgemein gehaltene und vage Behauptungen eine Wahlanfechtung nicht stützen können und der zum Einwurf der Briefwahlunterlagen verwendete Briefkasten groß genug dimensioniert war, so dass dort Briefwahlumschläge sowohl hochkant als auch quer eingeworfen werden konnten. Dies konnte seitens der Kläger nicht substantiiert dargelegt werden, dass es aufgrund der Beschaffenheit der Briefkästen im Wahlverfahren zu Unregelmäßigkeiten gekommen war.

Ebenfalls hervorzuheben ist ein Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 14.03.2012 (HSGZ 2012, S. 410), wonach es in Anbetracht der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung des Art. 137 Abs. 1 GG weiterhin im Rahmen von § 37 HGO zulässig ist, eine Unvereinbarkeit von Amt und Mandat nur für Angestellte einer Gemeinde festzuhalten und trotz einer entsprechenden Änderung des Tarifvertragsrechtes (TVÖD) an der herkömmlichen Unterscheidung zwischen Arbeitern und Angestellten festzuhalten.

Weiterer Gegenstand einer Stellungnahme war der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE für ein Gesetz zur Aufhebung eines Gesetzes über die Bannmeile des Hessischen Landtages (Drucks. 17/3719), wonach es eines ausdrücklichen Schutzes durch das sog. Bannmeilengesetz nicht mehr bedarf, da auf der Grundlage des Versammlungsgesetzes die Stadt Wiesbaden eine entsprechende Genehmigung zu erteilen hat. Die Aufhebung des Bannmeilengesetzes wurde als Beitrag zur Entbürokratisierung gesehen und vom Hessischen Städte- und Gemeindebund  begrüßt, da zwei unterschiedliche Genehmigungen durch die Stadt Wiesbaden im Rahmen des Versammlungsgesetzes und durch das Hessische Innenministerium aufgrund des Gesetzes über die Bannmeile des Hessischen Landtages für überflüssig angesehen wurden, da im Rahmen der Genehmigung nach Versammlungsgesetz eine Einzelfallprüfung geboten ist, die die Belange umfassend gegeneinander abzuwiegen hat.