Der HSGB im Gespräch mit ....

Hier kommen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister unserer Mitgliedskommunen zu Wort. Die Geschäftsführer des HSGB informieren sich vor Ort, um mit Bürgermeister/innen über aktuelle kommunalpolitische Themen zu sprechen.

Der HSGB im Gespräch mit ...

„Land Leben“ in Heidenrod

Die Geschäftsführer des HSGB informieren sich vor Ort, um mit Bürgermeister/innen über aktuelle kommunalpolitische Themen zu sprechen. Ein (virtueller) Besuch in der Reihe führte Geschäftsführer Dr. David Rauber nach Heidenrod.

Diefenbach
Bürgermeister Volker Diefenbach (© Gemeinde Heidenrod)

Heidenrod ist mit knapp 96 km² die flächenmäßig größte Gemeinde im Rheingau-Taunus-Kreis und gehört zu den Gemeinden mit den meisten Ortsteilen in Hessen. Rund 8.000 Einwohner verteilen sich auf 19 Ortsteile!

Diese Struktur führt zu großen Herausforderungen. Insbesondere die Infrastruktur mit Gemeindestraßen, Abwasserkanälen und Wasserleitungen, Kläranlagen in den verschiedenen Ortteilen ist zu erhalten oder der Brandschutz in allen Dörfern zu gewährleisten. Durch den immensen Investitionsbedarf dafür und in Verbindung mit der schlechten kommunalen Finanzlage in der Vergangenheit, türmte sich in Heidenrod ein Schuldenberg von über 43 Mio. Euro auf, sodass die Gemeinde in den Jahren 2010 bis 2014 annähernd handlungsunfähig war.

Der Schuldenstand konnte mit umfangreichen Sparmaßnahmen mittlerweile auf unter 20 Mio. Euro gesenkt werden. Der Weg der Konsolidierung der Gemeindefinanzen wurde gemeinsam mit der Bevölkerung gegangen. Mit Erfolg! Im Jahr 2020 hat sich die Gemeinde erfolgreich für den Spar-Euro geworben. Die Jury sah die Bewerbung als preiswürdig an, da die Gemeinde Heidenrod sowohl Kosten spart, wie auch die Infrastruktur verbessert und gleichzeitig die Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Heimat stärkt.

Im Gespräch mit DR. RAUBER führte Bürgermeister DIEFENBACH aus, dass seit 2013 fast alle Hochbaumaßnahmen in der Gemeinde mit einem erheblichen Anteil an Eigenleistungen der Dorfgemeinschaften ausgeführt worden sind. In den Dorfgemeinschaftshäusern hatte sich beispielsweise ein massiver Investitionsstau aufgebaut, Toilettenanlagen waren marode, in kleineren Häusern waren Räume nicht mehr zu benutzen.

Es wurde von der Gemeindevertretung beschlossen, jährlich für die Bauunterhaltung der Gemeinschaftshäuser einen Betrag zur Verfügung zu stellen, damit Material gekauft werden konnte. Unter Begleitung des Bauamtes wurden dann die verschiedenen Projekte der Instandsetzung von den Dorfgemeinschaften umgesetzt.

Besonders stolz sind die Heidenroder auf das Feuerwehr-Projekt in Watzelhain. Als das alte Gerätehaus in der Ortsmitte baufällig und für ein neues Fahrzeug zu klein wurde, entschieden sich die Verantwortlichen bewusst gegen einen förderfähigen Neubau - für den sei auch kein Platz vorhanden gewesen. Stattdessen entstand am Dorfgemeinschaftshaus ein Anbau, der günstig realisiert wurde. Durch die enorme Eigenleistung der Feuerwehr und der Dorfgemeinschaft in Watzelhain konnte das Projekt überhaupt erst realisiert werden.

 

Eigenhilfe stärken – Bürgerschaft beteiligen: Ähnlich verfährt man in Heidenrod mit dem Programm „Honorierung von ehrenamtlicher Arbeit“. Hier können Ortsbeiräte oder Initiativen mit der Gemeindeverwaltung die Übernahme von Arbeiten, die bisher vom Bauhof ausgeführt wurden, vereinbaren. Die Pflege des öffentlichen Grüns, Hecken, ein Parkplatz der gesäubert wird, stehen beispielsweise im Aktionsprogramm.

Mit den Ortsbeiräten und örtlichen Organisationen, die zu diesen Pflegearbeiten im Ort bereit waren, wurde zu Beginn des Jahres schriftlich vereinbart, welche Flächen in welchem Umfang gepflegt werden. Die Aktiven erhielten 50% des Satzes, der bei Ausführung durch den Bauhof bzw. beauftragten Unternehmen entstehen würde, als Aufwandsentschädigung. Auf diese Weise konnten und können erhebliche Kosten eingespart werden und die Dörfer nach den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger gepflegt werden.

Diese Aufwandsentschädigungen werden von vielen Bürger/innen dann auch wieder in die konkreten Projekte ihres Dorfes investiert.

„Land Leben“ – mit diesem Leitwort wirbt die Gemeinde Heidenrod. Als Gemeinde im ländlichen Raum, ist die Vielfalt der Dörfer die Identität in den früher selbstständigen Ortsteilen stark. Dies zeigt sich im Brauchtum und im Vereinswesen. Die nach Einwohnerzahl sehr kleine Gemeinde hat über 100 Vereine um die verschiedenen Organisationen in den 19 Ortsteile zu unterstützen.
Vielfalt in Einheit darzustellen ist ein echter Balanceakt. Bürgermeister DIEFENBACH versteht das Ehrenamt als ein Kitt, der die Gemeinde zusammenhält.

Um die örtliche Vereinslandschaft, aber auch die Zusammenarbeit in der Gesamtgemeinde zu stärken, fördert die Kommune den Austausch der Ehrenamtlichen, bspw. auf einer Vereinsmesse, auf der sich 40 Organisationen den Bürgerinnen und Bürgern präsentierten und gleichzeitig auch mögliche Themen und Projekte der Zusammenarbeit zwischen den Vereinen vereinbart haben.

Aber nicht nur die Vereine sind in Heidenrod stark, auch das Genossenschaftswesen hat hier erfolgreich Einzug gehalten. Die Gemeinde Heidenrod konnte als Klimaschutz und Energiegemeinde durch die Beteiligung an einem örtlichen Windpark erhebliche Verbesserungen der Einnahmesituation erreichen. Die Akzeptanz für die Windkraft wurde durch einen Bürgerentscheid und die Zusage für eine Beteiligung erreicht. Die Heidenroder gründeten eine Bürgergenossenschaft „Windpark“. Über 300 Bürgerinnen und Bürger aus der Gemeinde sind dort Mitglieder.

In einem anderen Themenfeld, der Vermarktung von regionalen Produkten, wurde auf die Initiative der Gemeinde hin die Genossenschaft „Heidenroder Wild- und Bauernmarkt“ gegründet. „Wir haben die Regale wieder richtig vollgepackt! Diesmal mit frischen Wildschinken, Wildknacker und Wildsteak! Für Feinschmecker liegt auch frischer Reh und Wildschweinrücken bereit!“ Die Spezialitäten werden auf dem Bauernmarkt angeboten, aber auch im Einzelhandel der Gemeinde vertrieben.

Eine Gemeinde lebt von einem lebendigen Gewerbe. Der Verein „Zukunft und Entwicklung Heidenrod“ engagiert sich im Ort für Existenzgründungen. Die Aktiven des Vereins organisieren Seminare und Workshops, unterstützen Arbeitskreise zur Förderung von Inklusionen, Pflege und Gesundheit, Integration und Regionalvermarktung. Hier bringen sich Banker, Rechtsanwälte, Handwerksmeister und andere Aktive ein und helfen jungen Start-Up Unternehmen durch den Dschungel von formalen Kriterien der Unternehmensgründung hindurchzufinden.

Heidenrod im schönen Taunus weiß es also nicht nur durch seine landschaftlichen Reize zu überzeugen, sondern durch aktive Bürgerinnen und Bürger, die sich erfolgreich für die Zukunftsfähigkeit des Ortes einsetzen.