Fachinformationen Energierecht / Umweltrecht

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Umweltschutz

Auszug aus dem Tätigkeitsbericht des HSGB 2011 bis 2013

Hessischer Energiegipfel

Am 05.04.2011 wurde unter Teilnahme aller Fraktionen im Hess. Landtag gemeinsam mit Partnern aus Wirtschaft, Gesellschaft und Verbänden der Hess. Energiegipfel gegründet.

Ziel des Hess. Energiegipfels war der größtmögliche Konsens auf gesellschaftlicher und politischer Ebene für eine zukünftige Energiepolitik in Hessen. Zur Verfolgung dieses Ziels wurden vier Arbeitsgruppen eingerichtet an denen Vertreter der Geschäftsstelle regelmäßig teilnahmen. Die Arbeitsgruppen sollten gemeinsame Positionen zu folgenden Themenschwerpunkten entwickeln: 

  1. „Ausbau eines zukunftsfähigen Energiemixes aus erneuerbaren und fossilen Energien in Hessen“,
  2. „Identifizierung von Energieeffizienz- und Energieeinsparpotenzialen in Hessen“,
  3. „Anforderungen an eine verlässliche und versorgungssichere Energieinfrastruktur“,
  4. „Gesellschaftliche Akzeptanz einer veränderten Energiepolitik in Hessen“.

Die Abschlussberichte dieser vier Arbeitsgruppen bilden das Fundament, auf dem der Gesamtbericht zur abschließenden Sitzung des Hess. Energiegipfels am 10.11.2011 beruht. Dort werden u.a. folgende Ziele definiert:

  • Deckung des Energieverbrauchs in Hessen (Strom und Wärme) möglichst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050
  • Steigerung der Energieeffizienz und Realisierung von Energieeinsparung
  • Ausbau der Energieinfrastruktur zur Sicherstellung der jederzeitigen Verfügbarkeit – so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig
  • Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz der energiepolitisch notwendigen Schritte in der Zukunft.

Hinsichtlich der Windkraft empfiehlt der Energiegipfel Folgendes:

  • Regionalplanerische Berücksichtigung in der Größenordnung von 2 % der Landesfläche. Nicht als Vorrangflächen erfasste Gebiete gelten hierbei als Ausschlussgebiete. Je effizienter und innovativer die benötigte Energiemenge von Windenergieerzeugungsanlagen erreicht werden kann, umso geringer wird der Anteil an der Landesfläche ausfallen können.
  • Die Windvorrangflächen werden bestimmt nach den Kriterien (1) der Windhöffigkeit/Windressourcen, (2) von immissionsschutzrechtlichen Kriterien (z. B. Abstand zu Siedlungsgebieten gemäß den Handlungsempfehlungen des HMWVL und des HMUELV zu Abständen von raumbedeutsamen Windenergieanlagen zu schutzwürdigen Räumen und Einrichtungen), (3) der Abstandsregelung zu Infrastrukturen (Festlegung von Abständen zu Autobahnen und Schienenwegen), (4) aus naturschutzfachlicher Sicht (z. B. Kernzonen des Biospärenreservats, Nationalparks, Naturschutzgebiete und Naturdenkmäler sind grundsätzlich ausgeschlossen, bei Natura 2000-Gebieten und den weiteren Gebieten des Biospärenreservats sind Einzelfallprüfungen erforderlich), (5) einer möglichst effizienten Flächennutzung zur Minimierung des Flächenbedarfs, (6) einer wünschenswerten Konzentration von Anlagen zu Windparks. Eine generelle Höhenbegrenzungen (Einzelfallprüfung ist erforderlich) soll nicht festgelegt werden.
  • Prüfung der Beteiligung der Kommunen an Pachteinnahmen in Zusammenarbeit mit Hessen-Forst bzw. im Rahmen der interkommunalen
  • Einbindung der Kommunen in die Ausweisung von Windvorranggebieten und Windausschlussgebieten

Hinsichtlich der Frage der landes- und regionalplanerischen Vorgaben hat das Präsidium des Hessischen Städte- und Gemeindebundes im September 2012 beschlossen, dass solche Vorgaben betreffend erneuerbare Energien aus kommunaler Sicht nur akzeptiert werden, wenn sie sich auf das sachlich und fachlich Erforderliche beschränken und die kommunale Planungshoheit soweit als möglich respektiert wird. Dieser Beschluss des Präsidiums wurde von der Geschäftsstelle im Rahmen des Energiegipfels vorgetragen und hat teilweise Berücksichtigung gefunden. 

Die Rolle der Kommunen wird im Abschlussbericht zum Hessischen Energiegipfel wie folgt definiert:

„Den Kommunen wird bei der Umsetzung der Energiewende eine wesentliche Rolle zukommen. Insbesondere die gesellschaftliche Akzeptanz eines beschleunigten Ausbaus des zukünftigen Energiemixes wird regelmäßig ein Einvernehmen mit den Kommunen erfordern.
Mit Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz unter Nutzung von erneuerbaren Energien können sie eine Vorbildfunktion einnehmen. Auch bei den notwendigen Veränderungen der Energieerzeugung, -verteilung und -speicherung wird den Kommunen eine erhebliche Bedeutung zukommen.
Gerade um die Akzeptanz von Windkraftanlagen vor Ort zu fördern und auch die Wertschöpfung vor Ort zu realisieren, sollen Kommunen rechtlich in die Lage versetzt werden, sich in diesem Bereich wirtschaftlich zu betätigen.
Ihnen soll daher die Möglichkeit eröffnet werden, in einem eingeschränkten Aufgabenfeld und unter Berücksichtigung klarer Kriterien durch eine Ergänzung des § 121 der Hessischen Gemeindeordnung (HGO), auch in begrenzter eigener Trägerschaft Energieerzeugungsanlagen und Energieverteilungsanlagen im Bereich der erneuerbaren Energien wirtschaftlich zu betreiben.
Zu diesen Kriterien soll die Betätigung nur innerhalb der Kommune oder im regionalen Umfeld in Form einer interkommunalen Zusammenarbeit gehören, wenn gleichzeitig eine Beteiligung der Bürger z. B. an Genossenschaften oder Bürgerwindparks bzw. privater Dritter sichergestellt ist. Abweichungen von diesen Kriterien sollen nur nach einem negativen Interessenbekundungsverfahren möglich sein.
Ungeachtet dieser erweiterten Handlungsmöglichkeit im Bereich der Energieversorgung für die Kommunen gilt auch in Zukunft das konstituierende Ordnungsprinzip: Privat vor Staat. Daher soll unter Beachtung des Bestandsschutzes der Energieversorger die Neuregelung ebenfalls eine Drittschutzklausel für private Dritte enthalten.“

Dieser Aussage zur Rolle der Kommunen im Abschlussbericht wurde folgende Protokollerklärung der Kommunalen Spitzenverbände angefügt:

„Für die drei kommunalen Spitzenverbände sind die Passagen unter A.7. Rolle der Kommunen, vorletzter und letzter Absatz so nicht akzeptabel, weil diese Passagen bisher bestehenden Räume weiter einschränken. Eine Drittschutzklausel ist nicht akzeptabel. Wir erwarten, dass in einem anstehenden Gesetzgebungsverfahren zu § 121 HGO die kommunalen Spitzenverbände Gelegenheit haben, ihre Vorstellungen einzubringen.“

Im Nachgang zum Hessischen Energiegipfel hat das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz das diesbezügliche  „Umsetzungskonzept der Hessischen Landesregierung“ veröffentlicht. Nach den dortigen Ausführungen ist es Aufgabe der Hessischen Landesregierung, die Beschlüsse des Hessischen Energiegipfels zielorientiert in den im Umsetzungskonzept genannten Maßnahmen umzusetzen. Nach dem Umsetzungskonzept der Hessischen Landesregierung kommen umfangreiche Aufgaben auf die Kommunen zu.

Im Abschlussbericht des Hessischen Energiegipfels findet sich auch die Aussage, dass eine Prüfung erfolgen soll, inwieweit Kommunen an Pachteinnahmen in Zusammenarbeit mit Hessen-Forst bzw. im Rahmen der interkommunalen Zusammenarbeit beteiligt werden können (Abschlussbericht, Seite 10 2. Spiegelstrich). Unter Hinweis auf die umfangreichen Aufgaben der Kommunen im Rahmen der Energiewende und deren Lasten, die sich vor Ort manifestieren, hat die Geschäftsstelle das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUELV) um Darlegung gebeten, ob das Land seiner diesbezüglichen Zusage nachgekommen ist und welches Ergebnis die Prüfung hatte.

Mit Schreiben vom 12.06.2012 teilte das HMUELV der Geschäftsstelle mit, dass eine eingeleitete Ressortabstimmung bestätigt habe, dass eine Abführung von pauschalen Anteilen aus den vom Land erzielbaren Gestattungsentgelten an Kommunen nicht erfolgen könne, weil dies unzulässig sei. Ergänzend teilte das Hessische Ministerium für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter dem 27.06.2012 jedoch Folgendes mit:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit nachstehenden Ausführungen möchte ich Sie nachträglich über die verwaltungsinterne Erlassregelung vom 02. Mai 2012 an den Landesbetrieb Hessen-Forst informieren, die zur Bereitstellung von landeseigenen Waldgrundstücken für die Realisierung .von unterschiedlichen Betreiber-Projekten und zur Zusammenarbeit des Landesbetriebs mit den hessischen Kommunen herausgegeben wurden.
Der Landesbetrieb Hessen-Forst wird im Rahmen des Ausbaus der erneuerbaren Energien die Errichtung von Windkraftanlagen im Wald durch Bereitstellung von geeigneten landeseigenen Waldgrundstücken unterstützen. Dies trägt den Ergebnissen des Hessischen Energiegipfels vom 10.11.2011 Rechnung. 

Sofern eine Vereinbarkeit mit den Iandes- und regionalplanerischen Zielsetzungen und den übrigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegeben ist, sollen in den kommenden Jahren die  von Investoren nachgefragten geeigneten windhöffigen Vorzugsstandorte zur Windenergienutzung im Staatswald des Landes unter marktgerechten Bedingungen vertraglich überlassen werden. Die Nutzungsüberlassung der landeseigenen Grundstücke erfolgt zum vollen Wert. Eine Beteiligung des Landesbetriebs Hessen-Forst am Betrieb von Windenergieanlagen scheidet aus. lm Fall mehrerer Angebote zu gleichen Konditionen ist denjenigen, die eine kommunale und/oder eine Beteiligung der örtlichen Bevölkerung vorsehen, der Vorzug zu geben. 

ln dem Bewusstsein, dass im Nichtstaatswald in Hessen entsprechende Vorrangflächen für Windenergie entwickelt werden und die Städte und Gemeinden ihre kommunale Planungshoheit dazu verantwortlich nutzen werden, die gesetzten energiepolitischen Ziele zu erreichen, wurden die Grundsätze zur Nutzungsüberlassung der Staatswaldgrundstücke wie nachfolgend festgelegt:

Bei dem Bekanntwerden von Anfragen zu Windkraftstandorten im Staatswald hat der Landesbetrieb Hessen-Forst darüber die jeweils betroffene Gemeinde zu informieren und über Gespräche des Vorhabensträgers sicherzustellen, dass der Planungswille der betroffenen Städte und Gemeinden in dem darauf stattfindenden Austausch Gehör finden kann. Auf diese Weise lassen sich in einem frühen gestalterischen Planungsprozess die Befindlichkeiten sowie die wirtschaftlichen Belange der kommunalen Ebene berücksichtigen.

  • In einem offenen Dialog mit den Vertretern der Standortkommune sind alle Argumente zur Sprache zu bringen, die vor dem Hintergrund der energiewirtschaftlichen Vorgaben der Landesregierung notwendig sind, einen lnteressensausgleich herbeizuführen und den Belangen der Gemeinden Rechnung zu tragen. Standortfragen sind dabei ohne Präjudiz für oder gegen einen bestimmten Waldbesitz zu erörtern.
  • lm Zuge der Standortvorbereitung und zur Erlangung der Planreife berät der Landesbetrieb Hessen-Forst den jeweiligen Vorhabenträger, auf welche Weise nach dessen Planungsabsichten eine ausgewogene Standortverteilung von einzelnen Anlagen bei unterschiedlicher Betroffenheit von Waldeigentumsflächen in Gemengelage erreicht werden kann; Fragen der besten Standorteignung haben unter besonderer Berücksichtigung der gewünschten Bündelung mehrerer Anlagen Vorrang. Oftmals ergeben sich bei der Entwicklung von Windparks ohnehin Notwendigkeiten zur Klärung der Verteilung und Erfordernisse zur Bündelung der verkehrsmäßigen Erschließung- und der Leitungsinfrastruktur mit den Kommunen, die mit einer Minimierung des Landschaftsverbrauchs und der Konzentration der lnvestitionskraft einhergehen. Eine frühzeitige Abstimmung geplanter Standorte mit der Oberen Forst- und Naturschutzbehörde ist anzuregen.
  • Hessen-Forst stellt die Standortflächen an die Projektentwickler bzw. Betreiber von Windenergieanlagen, die auch in kommunalem Auftrag handeln können, zur Verfügung, beteiligt sich aber nicht an der Errichtung und dem Betrieb der Anlagen. Kommunen und kommunale Gesellschaften (wie auch Bürgergenossenschaften) können somit bei windhöffigen Standorten zum Zuge kommen. Sofern sich unter gleichen Konditionen, mehrere Vorhabenträger für denselben Standort bewerben, sollten vorrangig die Interessenten den Zuschlag erhalten, bei denen Kommunen und kommunale Gesellschaften beteiligt sind oder eine örtliche Mitwirkung gegeben ist. '
  • Die Nutzungsüberlassung der landeseigenen Grundstücke erfolgt nach Maßgabe der W Nr. 6 zu § 64 .LHO in Verbindung mit den Bestimmungen des § 63 LHO zum vollen Wert. Eine Abgabe von landeseigenen Grundstücken zu vergünstigten Bedingungen, zum Beispiel auch auf dem Wege eines Waldflächentausches an Kommunen, unterbleibt zur Vermeidung beihilferechtlicher Probleme. Ebenso wenig erfolgt eine Abführung von pauschalen Anteilen aus den vom Land erzielbaren Gestattungsentgelten an Kommunen. Davon unberührt bleiben separate Vereinbarungen der Vorhabenträger mit den Kommunen für besonders abzugeltende Dienste (infrastrukturelle Leistungen).
  • Über die aktive Einbindung der betroffenen Städte und Gemeinden und deren Mitwirkung können Angebote für kommunale infrastrukturelle Leistungen (Wegebau, Erschließung, Ver- und Entsorgung, Bau- und Verkehrsbetreuung etc.) entwickelt werden, die Grundlagen für eine finanzielle Beteiligung an den Projekten, gleichzeitig auch für eine entsprechende Wertschöpfung zugunsten der Kommunen bilden. Eine Optimierung von solchen Infrastrukturleistungen der Kommunen soll von Hessen-Forst immer dann besonders unterstützt werden, wenn geeignete gemeindeeigene Grundstücke als Hilfsflächen für die Infrastruktur in die Planungen einbezogen werden können.

Die im Rahmen des Hessischen Energiegipfels formulierte Forderung der Geschäftsstelle, die Kommunen an den Pachtzinseinnahmen des Landes für die Errichtung von Windenergieanlagen auf Staatswaldflächen zu beteiligen, führte zu dem Gesetzentwurf einer Landtagsfraktion zur Änderung der Hessischen Landeshaushaltsordnung, zu dem der Haushaltsausschuss des Landtages eine schriftliche Anhörung durchführte. Nach dem Gesetzentwurf sollten Einnahmen aus der Verpachtung von Grundstücken zwecks Errichtung und Betrieb von Windenergieanlagen bis zu einem Gesamtanteil von 30 % an die von den Anlagen betroffenen Gemeinden abgeführt werden. In der Stellungnahme der Geschäftsstelle wurde dieser Gesetzentwurf ausdrücklich begrüßt. Im Landtag fand er jedoch leider keine Mehrheit.

Im Ergebnis bleibt es aus kommunaler Sicht unerfreulich, dass – anders als im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz – die Hessischen Kommunen nicht finanziell an den Pachteinnahmen von Hessen-Forst bei Standorten für Windenergieanlagen beteiligt werden können. Gleichwohl erscheint der verwaltungsinterne Erlass als Teilerfolg und die übrigen Ergebnisse des Hessischen Energiegipfels aus kommunaler Sicht durchaus akzeptabel.