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Urteil des Bundesarbeitsgerichts – Arbeitszeiterfassung für (fast) alle

Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidungsgründe zu seinem Beschluss vom 12. September 2022 (Az.: 1 ABR 22/21) veröffentlicht. In dem Beschluss hat das Bundesarbeitsgericht eine Pflicht aller Arbeitgeber zur Erfassung der Arbeitszeit von Beschäftigten verkündet.

Grundlage war eine durch das Landesarbeitsgericht Hamm vorgelegte Entscheidung darüber, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung zusteht. Dieses Initiativrecht lehnte das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung ab. Begründet wird dies damit, dass ein Initiativrecht nur für etwas bestehen könne, dass nicht bereits gesetzlich geregelt sei. Eine objektive gesetzliche Handlungspflicht zur Pflicht der Arbeitszeiterfassung für Arbeitgeber leitet das Bundesarbeitsgericht im Wege der unionsrechtskonformen Auslegung aus der arbeitsschutzrechtlichen Generalklausel des § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG her. Daraus ergibt sich für Arbeitgeber die Pflicht, die Arbeitszeit der Beschäftigten zu erfassen und hierfür ein geeignetes System einzuführen.

Abschließende Rechtssicherheit bleibt allerdings in Teilen aus. Ein entsprechender Vorschlag zur Änderung des Arbeitszeitgesetzes wird voraussichtlich im ersten Quartal 2023 durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales erfolgen. Das Bundesministerium will zunächst die Entscheidungsgründe auswerten.

Die Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeit gilt ab sofort. Verstöße sind derzeit jedoch nicht unmittelbar bußgeldbewehrt. Zu erfassen sind Beginn und Ende der Arbeitszeit. Die Erfassung konkreter Pausen ohne pauschalen Abzug sind wohl ebenfalls erfasst. Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt grundsätzlich für alle Beschäftigten. Ob hiervon allerdings leitende Angestellte und Beamtinnen und Beamte erfasst werden sollen, bleibt abzuwarten. Die Schaffung entsprechender gesetzlicher Regelungen durch den Gesetzgeber steht noch aus.
Die Zeiterfassung kann elektronisch oder auch manuell erfolgen. Das Bundesarbeitsgericht geht außerdem davon aus, dass eine Delegation an die Beschäftigten möglich ist.
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bedeutet außerdem nicht das Aus für Vertrauensarbeitszeit. Vertrauensarbeitszeit bedeutet, dass Beschäftigte Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit selbst bestimmen können, der Arbeitgeber im Gegenzug aber auf die Kontrolle verzichtet, dass Beschäftigte die Arbeitszeit auch einhalten. Sie bedeutet hingegen nicht, dass Beschäftigte sich an keine Arbeitszeit halten müssen. Die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes galten hier bereits vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts uneingeschränkt.