Fachinformationen Sonstige Rechtsgebiete

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Standardabbau

Auszug aus dem Tätigkeitsbericht des HSGB 2011 bis 2013

Ein häufig diskutierter Punkt war im Berichtszeitraum auch das Bemühen um den Abbau überflüssiger Standards. Hier war faktisch allerdings eine Diskussion um die Verlagerung von Verantwortlichkeiten nicht zu übersehen.

Im Zusammenhang mit der Abfrage überflüssiger Standards wurden häufig Probleme im Zusammenhang mit der Gestaltung von Förderverfahren angemeldet. Die Landesregierung hatte zugesagt, eine Arbeitsgruppe zur Vereinfachung von Förderverfahren einsetzen zu wollen. Konkret erstreckte sich die Zusage auf das Förderverfahren nach den Grundsätzen des früheren Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes. Angekündigt war insoweit die Vorlage vereinfachter Förderrichtlinien für den Herbst 2013. Diese lagen jedoch bislang (Oktober 2013) noch nicht vor. Die Geschäftsstelle trug hierzu vor, dass gerade dieses Förderverfahren deutliche Vereinfachungs- und Pauschalierungsnotwendigkeiten aufweise. Die Förderprogramme im Zusammenhang mit Abwasseranlagen kannten eine Berechnung nach bestimmte Kostenrichtwerten und Einschränkungen von Rückforderungsmöglichkeiten.

Daneben machte der Hessische Städte- und Gemeindebund wiederholt deutlich, dass er in Bezug auf die üblichen Reizthemen Mindestverordnung und Eigenkontrollverordnung ein rasches und dauerhaftes Entgegenkommen des Landes fordere. Die Bestimmungen der Mindestverordnung wurde in die Neufassung des HKJGB auf Grundlage des Hessischen Kinderfördergesetzes überführt. Insoweit wird auf die dort gemachten Schilderungen verwiesen. Für die Eigenkontrollverordnung wird auch auf die entsprechende Berichterstattung der zuständigen Fachabteilung verwiesen. Präsidium und Hauptausschuss des Hessischen Städte- und Gemeindebundes stellten im Juni 2012 durch Beschluss fest, dass insoweit zentrale Forderungen nach dem Abbau überflüssiger Standards nicht erfüllt worden sind (Stichworte hier Mindestverordnung und § 28 HKJGB).

Darüber hinaus prüfte die Geschäftsstelle näher, inwieweit Standardöffnungsgesetze, wie sie einige andere Bundesländer kennen, ein sinnvolles Instrument auch für Hessen sein könnten. So hatte das Land Mecklenburg-Vorpommern Ende der 90er Jahre ein Standardöffnungsgesetz auf den Weg gebracht, mit dem die Gemeinden Abweichungen von landesrechtlich vorgegebenen Standards in den Bereichen Kinderbetreuung, Bauordnungsrecht und Standesamtswesen beantragen konnten. Das einschlägige Gesetz wurde wegen ernüchternder Erfahrungen im Jahr 2009 nicht mehr verlängert. Nur wenige Anträge auf Abweichung und Standardbefreiung wurden von den Kommunen gestellt, nur wenige der gestellten Anträge waren erfolgreich oder führten zu einer Standardvereinfachung. Eine größere Resonanz soll eine entsprechende Öffnungsklausel im brandenburgischen Landesrecht gefunden haben.

Nach Einschätzung von Präsidium und Hauptausschuss des Hessischen Städte- und Gemeindebundes bleibt aber festzuhalten, dass ein derartiges Standardöffnungsgesetz nur eine nachrangige Lösung darstellen kann. Es setzt nämlich voraus, dass bestimmte Standards überhaupt gesetzt werden. Wenn aber ohne Gefährdung beispielsweise von Rechtsgütern wie Leib, Leben und Gesundheit Abweichungen zulässig sein können, stellt sich die Frage, ob der Standard nicht ohnehin entbehrlich ist.

Die Gremien folgten daher durch entsprechende Beschlüsse der Einschätzung der Geschäftsstelle, den notwendigen Schwerpunkt der Aktivitäten weniger aus der Schaffung einer Standabweichungsklausel nach Landesrecht zu setzen, sondern in der Abwehr neuer und der Verminderung bestehender Standards zu sehen. Hinzu kam die Erwägung, dass ein Standardöffnungsgesetz den „schwarzen Peter“ der Kommune zuweist: Der „Bundes- oder Landesgesetzgeber meint es gut, die Kommune gönnt es ausnahmsweise durch Antragstellung auf Standardabweichung ihrer eigenen Bevölkerung nicht, den Standard aufrechtzuerhalten, den Bund und Land ihr eigentlich zugedacht haben“ – diese Arbeitsteilung zulasten der Kommunen wollte der Verband der Bundes- bzw. Landespolitik nicht eröffnen. Auch unter diesem Aspekt ist ein Standardöffnungsgesetz aus kommunaler Sicht kein brauchbarer oder anzustrebender Ansatz.

Standards haben vielfältige Quellen. Häufig ist die Standardsetzung durch den Gesetzgeber sogar das kleinere Übel: Eine Reihe von Standards ist der politischen Gestaltung durch Bund, Land oder europäische Ebene vollständig entzogen. Dies deshalb, weil beispielsweise technische Regelwerke hinter einer Standarderhöhung stecken oder auch Weiterentwicklungen der einschlägigen Regeln der Technik, die aus haftungsrechtlichen Gründen zu befolgen sein können.

Eine Vielzahl der aus dem Mitgliederbereich genannten überflüssigen Standards bezieht sich auf Vorgaben für die Bauausführung. Im Zuge der näheren Sichtung zeigte sich, dass eine Vielzahl dieser Standards dem Schutz von Leib, Leben und Gesundheit und/oder der Barrierefreiheit dient. In einigen Fällen stehen auch Vorgaben der Berufsgenossenschaft, Unfallkasse, Versicherungen oder der Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten hinter den technischen Vorgaben. Diese Standards können in der Praxis schwerlich „zurückgedreht“ werden. Würden zudem derartige Standards nicht durch Rechtssetzung – nur solche können im Rahmen des Dialogverfahrens mit der Landesregierung überhaupt infrage gestellt werden – gesetzt, sind technische Richtlinien wie beispielsweise Unfallverhütungsvorschriften oder auch die zivilgerichtliche Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten der Maßstab allein das einzuhaltende Maß an Sicherheit vorgibt.

Insoweit ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, dass ein vollständiger Verzicht auf Standardsetzung tatsächlich mit Kostenentlastungen verbunden wäre. Vielmehr ist das genaue Gegenteil zu erwarten. Das bedeutet nach Ansicht der Geschäftsstelle, die insoweit die Billigung einer Beschlussfassung von Präsidium und Hauptausschuss des Verbandes fand, allerdings auch, dass bestehende Bau-, Sicherheits- und Standards der Barrierefreiheit im Zweifel im Rahmen einer angemessenen Finanzausstattung zu finanzieren sind.