Fachinformationen Finanzen / Gemeindewirtschaftrecht

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Auseinandersetzung um die Finanzausstattung der Kommunen

Auszug aus dem Tätigkeitsbericht des HSGB 2011 bis 2013

Im Vorfeld des Erlasses des Finanzausgleichsänderungsgesetzes 2011, mit dem die kommunalen Beteiligungen an dem Aufkommen an Steuern des Landes und der Gemeinden in Hessen um zunächst rd. 340 Mio. € jährlich gekürzt wurden, hatte das Land im Rahmen der von der Landesregierung 2009 eingesetzten Haushaltsstrukturkommission zwei finanzwissenschaftliche Gutachten zur Frage der Angemessenheit der kommunalen Finanzausstattung eingeholt. Die Gutachten erstatteten die Prof. Dres. Scherf (Gießen) und Zimmermann (Marburg). Sie kamen zu dem Ergebnis, dass in den Zeiträumen 2001 bis 2008 sich die Finanzverteilung unangemessen zum Nachteil des Landes und zugunsten der Kommunen entwickelt habe und im Verhältnis zur Aufgabenbelastung die kommunale Seite im Schnitt der genannten Jahre 800 Mio. € zu viel erhalten habe. Diese Begutachtungen wurden kontrovers diskutiert. Mit Prof. Dr. Junkernheinrich (Kaiserslautern) trat ein weiterer Gutachter auf die Bühne, der zu gegenteiligen Ergebnissen kam. Zu den Gutachten Scherf und Zimmermann wird auf den Tätigkeitsbericht 2009 bis 2011 (S. 7 f.) verwiesen.

Durch die Begutachtung von Prof. Dr. Junkernheinrich in verschiedenen Anhörungen des Haushaltsausschusses des Hessischen Landtags (stattgefunden am 10.08.2011 und 02.05.2012) wurden die verschiedenen gutachterlichen Stellungnahmen kontrovers erörtert. Eine Rolle spielte dabei insbesondere die Betrachtung des Kommunalisierungsgrads, der bei beiden Gutachtenvarianten als Gradmesser für die Verteilung der Ausgaben im Verhältnis zwischen Land und Kommunen eine zentrale Rolle spielte.

Die verschiedenen Gutachten kamen allerdings zu – ausgedrückt in Zahlen – sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Während Scherf/Zimmermann eine kommunale Überfinanzierung von 800 Mio. € im Jahr attestierten, ging Junkernheinrich zunächst von einem Mehrbedarf zugunsten der Kommunen von 995 Mio. € bzw. später 93 Mio. € aus. Der Hessische Städte- und Gemeindebund nahm in den Anhörungen auf Grundlage einer eigenständigen Positionierung Stellung: Hintergrund war der Umstand, dass die Geschäftsstelle in Vorbereitung der verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzungen um die Verfassungsmäßigkeit des Finanzausgleichsänderungsgesetzes 2011 die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung aus anderen Bundesländern zu Fragen der rechtmäßigen Dotierung des kommunalen Finanzausgleichs eingehend ausgewertet hatte und der in beiden Gutachtenvarianten angesprochene Faktor Kommunalisierungsgrad dabei entweder gar keine Rolle spielte oder aber – wie zuletzt im Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalz vom 14.02.2012 – zumindest kritisch hinterfragt oder als nicht allein ausschlaggebender Faktor eingeordnet wurde.

Der Hessische Städte- und Gemeindebund argumentierte bereits zu diesem Zeitpunkt dahin, dass Quotenverhältnisse oder prozentuale Anteile nichts darüber aussagten, ob die Finanzausstattung der Kommunen, wie nach Art. 137 Abs. 5 Satz 1 HV geboten, tatsächlich die zur Durchführung der eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel sichere. In der Anhörung des Haushaltsausschusses vom 02.05.2012 machte der Vertreter der Geschäftsstelle geltend, dass alternativ zu den Quotenmodellen der Gutachter ausschließlich zu prüfen sei, ob die Kommunen mit ihren eigenen Einnahmen, aufgestockt um Finanzausgleichszuweisungen des Landes in der Lage seien, die zugewiesenen Aufgaben und auch frei gewählte Aufgaben wahrzunehmen. Die tatsächliche Haushaltslage der hessischen Kommunen spreche klar gegen die These einer jahrelangen Überfinanzierung. Zudem habe der Verfassungsgerichtshof in Rheinland-Pfalz in erfreulich klaren Worten entschieden, dass das Land auch eine Mitverantwortung dafür trage, welche kommunalen Leistungen auf Bundesebene geschaltet werden und welche Verdrängungseffekte zulasten selbst gewählter Aufgaben in den kommunalen Haushalten stattfinden. Eine angemessene Finanzausstattung sei daher im Ausgangspunkt vom Ausgabenniveau aus zu bemessen. Schließlich böten Land und Kommunen ein über Jahrzehnte gewachsenes Leistungs- und Infrastrukturniveau für die Bevölkerung. Dieses Leistungs- und Infrastrukturniveau müsse im Wesentlichen so, wie es ist, finanziert werden. Für die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und unterschiedliche Gruppen von Gebietskörperschaften sei zu betrachten, welche eigenen Einnahmequellen es gibt, inwieweit die Kommunen auch eigene Steuerquellen anspannen müssen und inwieweit das Land anschließend über den Finanzausgleich noch aufstocken muss (vgl. die Niederschrift des stenografischen Berichts der 50. Sitzung des Haushaltsausschusses in der 18. Wahlperiode HHA/18/50, S. 15 f.).