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Unterbringung von Flüchtlingen in Kommunen: Konfliktmediation und lokale Beteiligung

Ein neuer Forschungsbericht zeigt die vielfältigen Aufgaben und Strategien von deutschen Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Welche Konflikte entstehen bei der Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten? Wie gehen Kommunen mit diesen Konflikten um? Wie verhindern sie ihre Entstehung?

Der Bericht vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück und dem Internationalen Konversionszentrum Bonn zeigt Antworten der Flucht- und Flüchtlingsforschung und Friedens- und Konfliktforschung auf diese Fragen. Zudem gibt er Empfehlungen an kommunale Akteure, wie sie Prinzipien der Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung in die kommunale Flüchtlingsarbeit einbinden, Bürger beteiligen und dabei Teilhabemöglichkeiten für Flüchtlinge schaffen können.

In den vergangenen Jahren haben Kommunen enorme Anstrengungen unternommen, um neu angekommene Flüchtlinge unterzubringen, ein friedvolles Zusammenleben zu ermöglichen und gute Startvoraussetzungen für die lokale Integration zu schaffen. Dennoch ist die Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen nicht frei von Konflikten geblieben. In einigen Städten haben sich bereits vorhandene Konflikte, zum Beispiel um Wohnraum oder um soziale Angebote, deutlich verschärft. An anderen Orten sind ganz neue Konflikte aufgetreten – innerhalb von Gemeinschaftsunterkünften und um die Einrichtung von Flüchtlingsunterkünften im lokalen Umfeld.

Der erst kürzlich erschienene Forschungsbericht „Unterbringung von Flüchtlingen in deutschen Kommunen: Konfliktmediation und lokale Beteiligung“ des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück (IMIS) und dem Internationalen Konversionszentrum Bonn (BICC) wertet eine Bandbreite an wissenschaftlichen Publikationen aus diversen Disziplinen aus, in denen verschiedene Konflikt-konstellationen untersucht werden, um generelle Erkenntnisse der Forschung in diesem Bereich zusammenzufassen.

Die Friedenswissenschaftlerin und Autorin des Forschungsberichtes stellt fest, dass zahlreiche Akteure an Konflikten um die Unterbringung von Flüchtlingen beteiligt sind, neben den Geflüchteten selbst seien dies Anwohner, Betreiber von Unterkünften, Lokalpolitiker oder auch Verwaltungsmitarbeiter. Eine nicht ausreichende Kommunikation könne dabei konfliktfördernd wirken. Daher sei es besonders wichtig, dass Kommunen frühzeitig Methoden der Bürgerbeteiligung, Gewaltprävention und Konfliktmediation einsetzen, um Konflikten vor Ort vorzubeugen und ihnen angemessen begegnen zu können.

Aus den Erkenntnissen des Forschungsberichts hat die Autorin konkrete Handlungsempfehlungen zur Gewaltprävention, Konfliktbearbeitung und zur Förderung sozialer Teilhabe im Kontext der Unterbringung von Geflüchteten an die Akteure der kommunalen Flüchtlingsarbeit erstellt.

Sind in einer Kommune keine ausreichenden Kompetenzen der Gewaltprävention und konfliktsensitiven Flüchtlingsarbeit vorhanden, so empfiehlt sie, diese durch Schulungen aufbauen oder – wo notwendig – externe Konfliktberater von außen hinzuziehen. Zudem sollten im Umfeld von Flüchtlingsunterkünften dauerhafte Konfliktmediationsstrukturen wie Beschwerdestellen, Ombudsleute oder Konfliktlotsen, aber auch Begegnungsmöglichkeiten eingerichtet werden. Während zum einen die Kommunen Strategien der Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung entwickeln und alle Akteure vor Ort, inklusive der Geflüchteten selbst, einbeziehen sollten, sollten die Mitarbeiter/innen der Kommunalverwaltung, aber auch von Polizei, Wohlfahrtsverbänden und anderen kommunalen Einrichtungen gezielt in Methoden der Gewaltprävention und Konfliktmediation sowie interkultureller Kompetenz aus- und fortgebildet werden. Die Autorin benennt klar, dass die Maßnahmen zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen der Kommunen erfordern, die die Unterstützung der Bundesländer notwendig machen.

Durch die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten entstanden in vielen Kommunen neue Aufgabenbereiche und Netzwerke. Nun müssen ad hoc geschaffene Stellen, Aufgabenbereiche und Netzwerke in eine Gesamtstrategie eingebunden und die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Trägern der Flüchtlingsarbeit und Ehrenamtlichen nachhaltig organisiert werden.

Der Bericht zeigt auch auf, dass die Forschung zu diesem Thema in Deutschland bisher äußerst lückenhaft ist und sich nur wenige Disziplinen mit lokalen Konflikten im Kontext der Unterbringung von Flüchtlingen beschäftigen. Die Sichtweisen und Handlungsstrategien von Flüchtlingen im Kontext dieser Konflikte sind bislang überhaupt nicht untersucht worden. Die im Bericht zusammengefassten Ergebnisse bilden daher einen Ausgangspunkt weiterer interdisziplinärer Forschung. Umfassende und langfristig angelegte Forschungsvorhaben sind notwendig, um vertiefte Erkenntnisse über Konfliktkonstellationen, lokale Dynamiken und die Wirkung von Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung zu erzielen. Erst auf dieser Grundlage können kommunale Politik und Praxis der Flüchtlingsarbeit angemessen beraten werden.

Der Forschungsbericht sowie die Handlungsempfehlungen an kommunale Akteure in dem Policy Brief „Gewaltprävention und Konfliktbearbeitung bei der Unterbringung von Geflüchteten: Eine Aufgabe für Kommunen“ sind auf der Website des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „Flucht: Forschung und Transfer“ abrufbar:
www.flucht-forschung-transfer.de/konfliktmediation-kommunikation-und-kommunale-moderation-in-aufnahmelaendern/.

 

(Quelle: DStGB Aktuell 3317-01 vom 18.08.2017)